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Kern und die Gemeinnützigkeit

Der Bundeskanzler hat eine beachtenswerte Grundsatzrede gehalten.
Hier sei auf einen Punkt hingewiesen, der bisher kaum beachtet wurde.
Kerns Ambition, die Wohnungsgemeinnützigkeit aufzuweichen.
Ich danke Martin Orner, selbst Chef eines gemeinnützigen Wohnbauunternehmens, der EBG für seine genaue Analyse.
Hier, (mit seinem Einverständnis) seine wichtigen Hintergrundinformationen:

Ich habe mir im „Plan A“ zuerste einmal das Kapitel „Wohnen“ angesehen. Neben einigen sehr sinnvollen Vorschlägen findet sich dort auch folgende Formulierung:

"Gemeinnützige Wohnbauträger spielen eine wichtige Rolle bei der Bereitstellung von leistbaren Wohnungen. Im Moment können institutionelle Anleger (wie Versicherungen) allerdings nur sehr eingeschränkt in gemeinnützige Wohnbauträger investieren, da solche Anteile nur eingeschränkt handelbar sind. Durch entsprechende Anpassungen könnte die Investition in gemeinnützige Wohnbauträger für institutionelle Anleger deutlich interessanter werden. ExpertInnen gehen von einem Potential von ca. 2 Milliarden Euro pro Jahr bis 2020 aus, was jährlich etwa 10.000 zusätzlichen Wonungen entspricht."

Klingt gut – ist es aber nicht. Hintergrund dieser Forderung: Die Wiener Städtische Versicherung ist (über verschachtelte Beteiligungen) Mehrheitseigentümerin der Sozialbau-Gruppe, das ist das größte Gemeinnützige Wohnbauunternehmen in Österreich mit über 50.000 Wohnungen.

Die gesetzlichen Regelungen in der Wohnungsgemeinnützigkeit sind sehr streng, sie sehen unter anderem vor, dass Gewinne zwar in beschränktem Umfang erzielt werden dürfen, diese jedoch nur sehr beschränkt (im Ausmaß von dzt 3,5 % des Stammkapitals) an den Eigentümer ausgeschüttet werden dürfen. Die restlichen Gewinne haben im Unternehmen zu verbleiben und sind dort im Sinne des Generationenausgleichs (§ 1 Abs 3 WGG) für Neubau und Sanierung zu verwenden. Das ist auch durch die im Gesetz verankerte Baupflicht sichergestellt und nennt sich auch das Prinzip der Vermögensbindung. Eine sehr sinnvolle Regelung – ihr haben wir zu verdanken, dass die Gemeinnützigkeit so einen hohen Stellenwert in Österreich hat, mit dem Ergebnis, dass ein großer Teil der Bevölkerung mit relativ günstigen Wohnungen versorgt werden kann.

Die Formulierung im „Plan A“ soll Folgendes verschleiern: Die Wr. Städtische ist – und das ist kein Geheimnis – unzufrieden mit der beschränkten Gewinnausschüttung, ihre Aktionäre würden gerne die in der Sozialbau erzielten Gewinne abschöpfen und einstecken. Im Zuge der WGG-Novelle 2016 ist bereits einmal ein Versuch gescheitert, diese Regelungen aufzuweichen. Man hat dazugelernt, die Versicherung hat einen ehemaligen Bundeskanzler in dieser Angelegenheit als Lobbyisten engagiert, dessen ehemaliger Staatssekretär ist übrigens gerade in den Vorstand der Sozialbau eingezogen.

Inhaltlich ist das natürlich Unfug. Dass die Sozialbau mehr Wohnungen bauen kann, wenn man ihre Gewinne abschöpft kann auch ein von betriebswirtschaftlichen Kenntnissen völlig Unbeleckter nicht glauben.

Sollten diese Regeln tatsächlich aufgeweicht werden, würde das langfristig die Investitionsfähigkeit der Gemeinnützigen Wohnbauträger deutlich einschränken, das Kreislaufsystem, dass die Gemeinnützigkeit im Interesse der BewohnerInnen so erfolgreich gemacht hat würde untergraben werden.

Hoffentlich gibt es hier auch einen Plan B.
h.z. (Gast) - 12. Jan, 16:09

Die Analyse des Herrn Orner erscheint ein wenig verschlungen. Aus der Formulierung "[...], da solche Anteile nur eingeschränkt handelbar sind." leitet er schwer nachvollziehbar einen camouflierten Angriff auf die Beschränkung der Gewinnausschüttung her. Die ist in §10 Abs 1 WGG geregelt.

Schon der nächste Paragraph des WGG aber enthält folgende Bestimmung.
"§10a. (1) Bei sonstiger Rechtsunwirksamkeit bedürfen der Zustimmung der Landesregierung Vereinbarungen über:
a) den Erwerb von Anteilen an einer Bauvereinigung in der Rechtsform einer Gesellschaft mit beschränkter Haftung oder Aktiengesellschaft,
[...]
"

Der gesetzlich gesicherte Einfluss der Landespolitik auf die Aktionärsstruktur z.B. einer Sozialbau AG sollte aufgrund dieser Bestimmung augenfällig sein. Dieser Einfluss soll offensichtlich beschnitten werden.

Dazu der nächste Absatz im WGG:
"§10a (2) Die Zustimmung nach Abs. 1 ist jedenfalls zu versagen, wenn
(a) der Kaufpreis oder – bei Einbringung als Sacheinlage – die Bewertung die eingezahlten Einlagen übersteigt,
[...]
"

Dass der Buchwert des gemeinnützigen Wohnbaus unter dem derzeit erzielbaren Marktwert liegt, darf trotz aller gebotener Vorsicht sehr stark vermutet werden. Mit dieser [Zustimmungs]Regelung sind also für die Wr. Städtische, aber auch andere Anleger interessante Finanzmarktmechanismen arg beschnitten, Spekulation im gemeinnützigen Wohnbausektor im Grunde ausgeschlossen.

Mir stellt sich deshalb - im Unterschied zu Herrn Orner - die Frage nach einer in Kauf genommenen oder gar gewollten Öffnung des WGG in Richtung Finanzmärkte. Das hielte ich für ein selbstmörderisches Spiel mit dem Feuer. Einem solchen Vorhaben müsste gerade in Wien breiter Widerstand entgegengebracht werden.

Jörg Wippel (Gast) - 23. Jan, 14:47

Besser ein Plan A als kein Plan

Die Betrachtung greift einfach zu kurz. Sie unterstellt nämlich, dass die gesetzlichen Einschränkungen im Bereich Gewinnerzielung und –ausschüttung auch sinnvoll im Sinne des Gesetzes und seiner Beschränkungen für Neubau und Sanierung (gefördert) eingesetzt werden können und dies auch laufend und vollständig passiert.
Und zumindest das ist jedenfalls für die letzten zehn Jahre schlichtweg falsch. Und zwar nicht deshalb, weil die Gemeinnützigen Bauvereinigungen nicht wollen oder böse sind. Sondern deshalb, weil sich die Rahmenbedingungen unwiderbringlich und nachhaltig geändert haben: Grundstücke (und Baukosten) sind in der Zwischenzeit aus Gründen, die weder von den Unternehmen noch von den Nationalstaaten alleine entscheidend beeinflusst werden können, so teuer, dass dem originären Auftrag des damaligen Gesetzgebers im Sinne der damaligen Definition von „Volkswohnungswesen“ faktisch gar nicht mehr entsprochen werden kann.
Würden die Gewinnerzielungs- und ausschüttungsbeschränkungen nicht geändert, wäre damit keinerlei Verbesserung hinsichtlich der Leistbarkeit von Wohnungen für einkommensschwächere Haushalte verbunden. Entweder würden (weiterhin) zu teure Grundstücke gekauft und umgesetzt mit den bekannten negativen Auswirkungen für die Leistbarkeit von Wohnungen oder die Gewinne würden nicht investiert, sondern am Kapitalmarkt veranlagt und somit ausschließlich das Eigenkapital der Gemeinnützigen Wohnungsunternehmen (GWU) vermehrt.
Beide Strategien widersprechen aber den ursprünglichen Absichten des Gesetzgebers bezüglich des Begriffs „Volkswohnungswesen“.
Die Argumentation, dass der wohnungspolitische Teil des „Plans A“ deshalb verfasst wurde, um die Ausschüttungen der Sozialbaugruppen an ihre Eigentümer, die Wr. Städtische Versicherung, zu erhöhen, würdigt den Bundeskanzler herab, unterstellt ehemaligem Bundeskanzler und Minister „niedrige Ziele“ und geht deshalb ins Leere, weil österreichweit sich viele Versicherungsunternehmen in den Gesellschafterlisten von Gemeinnützigen Wohnungsunternehmen finden.
Einerseits wegen der Nebenrentabilitäten solcher Beteiligungen in den Bereichen Versicherung (Haushalt, Bauwesen, Bauhaftpflicht etc.) und im Bereich Hausverwaltung; andererseits und das scheint mir bedeutsamer, weil es dem „Wohlverhaltenskodex“ der 2. Republik nach ihren Usancen entspricht. Der Landeshauptmann mit dem Bürgermeister, der regionalen Bank und der „Landesversicherung“ … etc.
Nun, kehren wir zum Wesentlichen zurück:
1. Die Beibehaltung der Gewinnbeschränkungen führt zu keiner verstärkten Tätigkeit der GWUs im Sinn der Bereitstellung leistbarer Wohnungen, weil die Grundstücke dafür zu teuer geworden sind.

2. Die Aufweichung dieser Bestimmungen auch nicht, weil auf teuren Grundstücken nur freifinanzierter, also teurer anstelle leistbaren Wohnbaus errichtet werden kann.
Dies hätte aber wenigstens den Vorteil, dass quantitativ durch Wegfall der Eigenkapitalrestriktionen mehr Wohnungen entstünden, und zwar nicht unerheblich vom Volumen her, wenn man weiß, dass das Kapital der österreichischen GWUs ein zweistelliger Milliardenbetrag ist – also ein Vielfaches des jährlichen bundesweiten Wohnbauförderungsvolumens.
Der Plan A bietet also zumindest die Chance, dass bisher „totes“ Eigenkapital in großen Volumen produktiv eingesetzt werden kann und nicht mehr auf „zinslosen Sparbüchern“ verstaubt. Während die Beibehaltung dieser Restriktionen weder volumensmäßig noch im Bereich der Leistbarkeit neuen Wohnraums etwas bringt. Insofern ist meiner Meinung nach „Plan A“ besser als weiterhin „kein Plan“.
Übrigens: Bereits jetzt – also zu Zeiten der unverändert bestehenden Eigenkapitalrestriktionen – ist es so, dass vor allem große GWUs dieses Eigenkapital über ihre gewerblichen Töchter für die freifinanzierten, also „nicht leistbaren“ Eigentumswohnungsproduktionen einsetzen, wie mir einer der Geschäftsführer eines solchen Unternehmens erst vor kurzem erzählt hat. Zitat: „Unsere letzten 800 Wohnungen sind alle freifinanziert.“
Tun wir, lieber Christoph Chorherr, also bitte nicht so, als könnten die Eigenkapitalrestriktionen des Gemeinnützigen Wohnungswesens irgendetwas an der Leistbarkeit der produzierten Wohnungen ändern.
Wenn man das wirklich will, sind ganz andere Instrumente erforderlich, wie Finanzminister Schelling durch die vereinheitlichten Bauordnungen und die Steuerhoheit der Länder im Bereich der Wohnbauförderung zu erreichen versucht. Aber auch Salzburg durch sein neues Raumordnungsgesetz setzt seriöse Maßnahmen, um letztlich eine Verbilligung von Anfangsmieten neuer Bauvorhaben zu ermöglichen.

cc - 31. Jan, 14:25

Interessante Wortmeldung zu Thema

Auch derObmann der Gemeinnützigen Wohnbaugenossenschaften sieht das sehr kritisch:
http://diepresse.com/home/innenpolitik/5162256/Warum-Genossenschaften-mehr-wert-werden

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Christoph Chorherr

Versuche jedenfalls Mails selbst zu beantworten.

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