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" Wirtschaft" interessiert mich nicht

Im aktuellen falter ist eine berührende Reportage über eine Mindestrentnerin zu finden, die ihr Erbe in Meinl-European-Land Zertifikate steckte und verlor.
Wie ihr ging es sehr vielen, egal ob Meinl oder Immofinanz.
Im Artikel ist zu lesen:

Ihre Geschichte steht für das Versagen dieses Systems.Sie erzählt viel über den Vertrauensgrundsatz in einer Gesellschaft, aus dem man Banken, Finanzberater und Aktiengesellschaften längst streichen muss.
Letztlich ist es eine Geschichte, mit der sich die hohe Politik auseinandersetzen muss.


Ja, ich glaube, es ich auch eine politische Geschichte.
Auch.
Ja, Konsumentenschutz gehört verbessert, und angeblich "unabhängigen" Finanzberatern, die nur gegen hohe Provisionen jene Produkte vertreiben, für die sie bezahlt werden, gehören an den publizistischen Pranger und auch juristisch belangt.

Es bleibt für mich trotzdem eine grosse Frage:

Was ist das für eine Gesellschaft, in der Frau Kosch(laut falter-Artikel) heute sagt: " Ich wußte damals gar nicht, dass ich in Aktien investieren würde."
Und sie legt ihr gesamtes erspartes Erbe in einer einzigen (besonders windigen) Aktie an und verlor

Ich versuche eine Antwort:
Es ist eine Gesellschaft in der es bis weit hinauf in "gebildete Kreise" schick ist zu sagen, "geh lass mich, Wirtschaft interessiert mich nicht"

Ein paar wenige, ganz wenige Dinge soll man zum eigenen Schutz lernen.
Z.B.: einen zweiten Arzt aufsuchen, wenn man vom ersten eine umfangreiche Therapie verordnet bekommt.
Oder eben Wirtschaft:
Wer mehr Zinsen möchte als sie "am Sparbuch" oder bei Staatsanleihen gezahlt werden, der trägt ein Risiko, das MUSS man wissen
Langfristig (zehn und mehr Jahre) ist es durchaus ratsam eine gewissen Teil seines Vermögens in Aktien anzulegen.
Aber eben nur einen gewissen Teil.
Und dann das Risiko zu streuen.

Zu sagen, "ich interessier mich nicht für Wirtschaft" kann man schon sagen, aber es hat seinen (hohen) Preis.

Das System hat versagt?

Oder gibt es zumindest bei der Geldanlage soetwas wie "das System" Eigenverantworung?
martinm - 6. Nov, 09:00

Diesem Kommentar kann ich nur voll und ganz zustimmen. Ich kaufe mir ja auch nicht einen Hubschrauber und rege mich danach auf, dass ich damit nicht fliegen kann!

In diesem speziellen Fall ist wohl die irreführende Werbung, die Meinl European Land damals geschaltet hat, dran schuld. Der Hubschrauber wird ja auch nicht damit beworben, dass er viel besser ist als ein Auto, und wenn, dann kapieren die Leute wenigstens dass das so nicht stimmt.

Manchmal stellt sich die Frage wer das ganze geld hat, dass an der börse verloren geht (die aktuelle "kriese" muss man allerdings wohl ausnehmen da scheinen ja fast alle verloren zu haben) .
Das ist leicht rauszufinden: Einfach mal in der Wikipedia über Finanzderivate ein bisschen rumschmökern. Da wird schnell klar, wer sich mit diesen "Spielerein" auskennt muss einfach mehr verdienen, sonst wäre es ja sinnlos sich mit diesm Unfug rumzuschlagen! Und ich bin mir sicher, die Wikipedia kratzt nur an der Oberfläche des Eisberges....

Kleiner Nachtrag: Was man bei MEL genau gekauft hat wusste glaube ich kaum jemand (auch nicht die dies egentlich hätten wissen müssen;), aber jetzt ist "der Name Meinl" ja (zum glück?) "ruiniert"....

Sebastian (Gast) - 6. Nov, 09:02

Die Frau, so leid mir das tut, ist selbst schuld. Ich weiß nicht, wie oft ich in meinem Leben gelesen und gehört habe, dass man nur das Geld in Aktien investieren soll, das man entbehren kann - aber es war oft.
Wenn sie so ungeschickt ist, und in Aktien investiert, muss sie mit dem Risiko zurecht kommen.

Wir dürfen bloß nicht anfangen, jetzt übermütig zu werden und neue Straftatbestände einzuführen - das ist der falsche Weg.

Falls ihr Finanzberater ihr in böswilliger Absicht wichtige Informationen verschwiegen hat, dann soll er entsprechend aktueller Gesetze zur Rechenschaft gezogen werden - das gleiche gilt für das MEL-Management.
Ich gehe aber davon aus, dass hier nichts illegales getan wurde.

Bitte, Österreich: Mehr Eigenverantwortung!

steppenhund - 6. Nov, 09:38

Ich glaube nicht, dass die Frau selbst schuld ist. Ich kenne einen ähnlichen Fall, da hat eine Frau mit Meinl verloren. Man hat es ihr als bessere "Spar-Einlage" verkauft. Ja, schon als Wertpapier, aber doch mündelsicher.
Aber der Fehler liegt schon tiefer.
"Mathematik interessiert mich nicht!"
Mit ein bisschen Mathematik, wozu Addieren und Potenzieren gehört, lassen sich bestimmte Verkaufsschmähs ganz leicht widerlegen.
Aber M interessiert heute überhaupt niemanden mehr!
Euphor (Gast) - 6. Nov, 09:58

Kapital - Nein Danke

Ich will mich hier für einen ebenso provokanten wie radikalen Standpunkt aussprechen:

Aufgabe der Gesellschaftsordnung ist es Sicherheit für die Grundbedürfnisse des Einzelnen zu garantieren.

Für den Zusammenhalt und das Funktionieren der Gesellschaft ist es daher viel wichtiger, dass die Frau mit ihrer Mindestpension sorgenfrei über die Runden kommt als dass Kapitalanlage deppensicher gemacht wird.

Geld kann sich nicht vermehren und schon gar nicht arbeiten (biem prüfenden blick ins Geldbörsel liegen die Scheine immer from und müßig nebeneinander).

"Gewinne" durch Finanzprodukte entstehen durch Geschäfte bei denen keine realen Waren oder Leistungen getauscht werden - es geht lediglich darum wer der Schlauere ist und dem Anderen das Geld abluchsen kann.

Wer da mitmacht ist selbst verantwortlich.

tetrade (Gast) - 6. Nov, 12:05

Kommt mir absurd vor

Also anders gesagt:

Wenn ich ein Medikament kaufe, dann kann ich mich darauf verlassen, dass dieses Medikament nur dann auf den Markt kommt, wenn eine staatlich/amtliche Stelle es für tauglich befunden hat?

Wenn ich mir ein Lebensmittel kaufe, kann ich mich darauf verlassen, dass es staatlich/amtlich geprüft und für bekömmlich befunden wurde.
Das macht bei uns die die AGES und selbst im super-liberalen Amerika gibt es die Food and Drug Administration, die diesbezüglich sehr streng ist.

Wenn ich mir ein Fahrzeug kaufe, kann ich mich darauf verlassen, dass es verkehrstauglich und sicher ist, weil mir das die KfZ-Prüfstellen der Landesregierungen garantieren, nicht-typisierte Fahrzeuge kommen erst gar nicht auf den Markt.

Wenn ich in einen neuen Flugzeug-Typ steige, dann kann ich mich darauf verlassen, dass es von mehreren Behörden auf Herz und Nieren geprüft wurde, von der Federal Aviation Administration in den USA und der Austro-Conrtrol in Österreich.

Nur wenn ich ein Finanzprodukt kaufe, das - wie man gerade erlebt - viel riskanter ist als Lebensmittel, Medikante, Autos und Flugzeuge, werde ich von den staatlichen Instanzen im Stich gelassen, da soll es keine "Typisierung" geben?

Sorry, lieber CC und Co-Poster, wenn das logisch sein soll, dann ich es nicht nachvollziehen. Für diese "Freiheit" möchte ich nicht unsere Wirtschafts-und Sozialordnung opfern. Ein Gutteil dieser "Finanz-Haie" waren und sind Kriminelle. Wenn mich der demokratische Staat nicht mehr vor Kriminellen schützen kann, dann werden wir bald einen Staat bekommen, der weniger demokratisch ist, dafür aber für Law and Order sorgen wird, gerade auch im Bereich der organisierten Wirtschaftskriminalität.

Euphor (Gast) - 6. Nov, 13:37

Äpfel & Birnen

tetrade,
die Beispiele die du anführst (Medikamente, Lebensmittel, Flugzeuge) umfassen allesamt Risken, die mit Gesundheitsschaden oder dem Tod enden können. Daher ist in diesen Fällen auch öffentilches Interesse an weitgehender Regulation gegeben.

Bei Finanzprodukten geht es um überschüssiges Geld das so man für's tägliche Leben nicht mehr braucht.
Wenn man das verjuxt ist das bedauerlich, aber da ist jeder der der Gier nach maximaler Rendite erliegt schon für sich selbst veranwortlich.

Die Finanzprodukte, die für die wirtschaftliche Entwicklung der Realwirtschaft notwnedig sind kann man an einer Hand abzählen. Dieser Markt ist von volkswirtschaftlicher Bedeutung und folglich staatlich zu kontrollieren und regulieren.

Kriminielle werden heute schon recht effizient verfolgt. Betrug bleibt Betrug und Anlageberater die einen kriminellen Schwachsinn verzapfen sind auch heute schon haftbar. Das hilft nur halt recht wenig, weil die haben selber nix.
Wesentliche Teile des Kapitalmarkts funktionieren als Umverteilungsmaschine von den dummen Wohlhabenden zu den gerissenen Superreichen. Wer es nicht lassen kann dem will ich auch keine steuerfinanzierte staatliche Hilfe anbieten.
laurenzennser - 6. Nov, 12:11

Eigenverantwortung

Eigenverantwortung ist ein ziemlich voraussetzungsreiches Konzept. Die grundlegende Bedingung dafür, dass Eigenverantwortung funktioniert, ist Chancengleichheit, z. B. bei Bildung, sozialem Aufstieg.

Mir kommt aber vor, dass gerade von jener Seite, die stets mehr Eigenverantwortung einfordert (bei Pensionen, Gesundheitsversorgung, etc.) die Voraussetzungen (z. B. ein sozial ausgleichend wirkendes Schulsystem oder Grundsicherung) blockiert werden.

Damit wird die Rede von Eigenverantwortung zur Forderung nach Verfestigung der gesellschaftlichen Ungleichverteilung von Chancen.

Im konkreten Fall würde ich sagen, dass es sich um eine Portion Naivität gepaart mit der Bereitschaft, diese skrupellos auszunutzen, handet. Und die Frage nach der „Eigenverantwortung“ der Bankmanager muss ja ebenfalls erlaubt sein.

Norrin Radd (Gast) - 6. Nov, 13:04

War das wirklich eine Bank, bei der diese Frau das Geld angelegt hat? Wenn ja, ist da zu prüfen, ob die Aufklärungspflicht verletzt wurde.

Ich plädiere trotzdem für Eigenverantwortung. Zu den Grundsätzen oben möchte ich noch einen dazu geben: Nur so viel investieren, wie man sich leisten kann, auch zu verlieren. Wenn man mehr Zinsen haben möchte als am Sparbuch, muss man halt mit dem Verlust rechnen.

Ein weiteres aktuelles Beispiel ist das Geld, dass viele über Hans Linz in AvW investiert hat. Da hört man von Leuten, die sogar einen Kredit aufgenommen haben, um Geld zu investieren, für das weit höhere Zinsen als marktüblich versprochen wurden, und wie so üblich, hat das auch eine kurze Zeit funktioniert, nur jetzt nicht mehr.
Normalerweise müssen da beim Anleger schon die Alarmglocken läuten. Aber dass tun sie oft nicht. Ob Gier der Grund ist oder man sich einfach taub stellt und einfach an den hohen Gewinn glauben möchte, weiß ich nicht. Einfach "Selbst Schuld" zu sagen, ist zwar hart, aber es ist leider einfach so.

Ein Teil meines Studiums hat sich mit Wirtschaft befasst, was mir am Anfang zwar ein Dorn im Auge war, mich mittlerweile aber freut. Ich würde mir wünschen, dass Grundkonzepte der Wirschaft schon in den Schulen vermittelt werden. Damit ein mündiger Bürger auch beurteilen kann, warum ein Schuldenerlass der AUA etwas komplett anderes ist als die Finanzspritze, die den Banken derzeit gewährt wird. Vielleicht würde dann auch den Populisten etwas Wind aus den Segeln genommen werden.

http://oh-du-mein-oesterreich.blogspot.com/

martin.k - 6. Nov, 13:48

Eigenverantwortung muss natürlich sein, und ich kann meinem Vorposter nur absolut zustimmen, dass (volks-)wirtschaftliche Grundkenntnisse schon in der Schule vermittelt werden sollten, und zwar nicht als "Vorbereitung auf den Job" sondern als Teil der Allgemeinbildung, die nötig ist, um die Welt da draußen besser zu verstehen.

Beim Fall Meinl bin ich aber skeptisch. Börsen haben auch eine Kontroll- und Standardisierungsfunktion, die den Handel vereinfachen soll (zB Berichtspflichten uvm).

Dass mit MEL ein Zertifikat mit äußerst dubiosen Rechtskonstruktionen, die unter österr. Recht nicht erlaubt wären und Gerichtsstandort außerhalb der EU überhaupt zugelassen wurde, finde ich schon sehr fahrlässig.

Das fällt für mich unter Verbraucherschutz. Wenn ich mir ein Elektrogerät von einem unbekannten Hersteller kaufe und es sich als minderwertig herausstellt, bin ich selber schuld. Trotzdem muss ich darauf vertrauen können, dass das Ding nicht in Flammen aufgeht oder Giftstoffe absondert. Das sollte analog für börsegehandelte Papiere gelten.

maschi - 6. Nov, 13:59

Ich halte es ebenso wie Norrin Radd für ein Grundmanko - und möchte fast sagen, es ist eigentlich ein Skandal - wie weit die Lehrpläne an unseren Schulen von dem weg sind, was man im Leben dringendst benötigt. Ich bin wirklich keiner der sich gegen alles richtet, das keinen unmittelbaren praktischen "Nutzen" verspricht. Aber es kann umgekehrt auch nicht so sein, dass gerade die Dinge, die enorme praktische Bedeutung haben unter den Tisch fallen: "Wirtschaft" - und zwar nicht nur Betriebswirtschaftslehre wie in den HAKs, sondern vor allem auch Volkswirtschaftslehre müsste für mich an allgemeinbildenden Schulen zu einem der wichtigsten Fächer werden.

Und da gibts noch zwei Dinge, die ebenso sträflichst vernachlässigt werden: Staat/Politik und Recht (vor allem auch Privatrecht). Ein Maturant lernt zwar Integralrechnung, mit Blick auf Staat, Recht, Wirtschaft hat er aber so gut wie gar keine Ahnung.

Und natürlich wirkt sich das aus: ganz real, wenn viele keinerlei Rüstzeug haben, um sich in unserer komplexer werdenden Gesellschaft zurechtzufinden. Und natürlich wirkt sich das auch auf das Niveau der politischen Debatte aus. Es ist oft schlimm genug, wenn Leute ihr demokratisches Mitspracherecht so deuten, dass sie zwar von praktisch all dem worum es da geht genau gar nichts verstehen aber trotzdem zu allem glauben eine eigene fixe Meinung haben zu müssen. Diese Haltung wird man nicht abschaffen können, aber da wärs zumindest schon "hilfreich", wenn man wenigst ein bissl mehr mit auf den Weg geben würde als derzeit. Oft kommt ja gerade auch mit den ersten Bildungsschritten auf einem Feld die Erkenntnis, was man eigentlich noch alles "nicht weiss"... da gibts also auch einen Zusammenhang von Unwissenheit und Starrsinn.

Und übrigens so am Rande: Aktien sind eben nicht nur "Risiko gegen höhere Zinsen", sondern sie sind eines der wichtigsten Instrumente, um sich gegen die langfristigen Risken geldmarktorientierter Veranlagung (wie ua. Sparbuch) abzusichern. Meine Oma wusste noch, was das Sparbuch wert ist, wenn die Inflation mal ins Galoppieren kommt. Einer meiner Volkswirtschaftsprofessoren an der Uni wurde nicht müde zu betonen, dass es Aktien waren, mit denen man sein Vermögen über die Weltwirtschaftskrise der 30er Jahre und den 2. Weltkrieg weitgehend "halten" konnte, wenn man nicht in der Baisse verkaufen musste, sondern die Papiere einfach gehalten hat. Wer Geldanlage daher primär aus Riskenminimierungssicht betreibt, der MUSS Aktien mithineinnehmen... Sparbücher allein sind langfristig zu riskant.

a.m. (Gast) - 11. Nov, 19:28

Wirtschaft wird bereits unterrichtet: nämlich im Fach Geographie!!!
Ist auch Lehrstoff. Es ist halt immer eine Frage dessen, was sich die Leute im Leben merken und was sie aus der Schule mitnehmen.
Volkswirtschaft als eigenes Fach zu etablieren, fände ich nicht gut, da dies dem Charakter der Allgemeinbildung nicht mehr entspricht, sondern wieder Spezialwissen ist und dies gehört in die Berufsschulen.
maschi - 12. Nov, 08:54

Jaja, genauso sieht der "Wirtschafts"-unterricht dann auch aus. "Bodenschätze" und statische Analysen über Industriestandorte und Tourismusregionen. Das ist kein Wirtschaftsunterricht von dem man irgendein relevantes Wissen (im Sinne von Systemverständnis) mitnimmt.

Und Wirtschaft als "Spezialwissen" im Gegensatz zur "Allgemeinbildung" - dem muss ich nichts explizit entgegensetzen. Steht für sich selbst. Siehe Titel: Wirtschaft muss den allgemeingebildeten Menschen nicht interessieren und interessiert ihn auch nicht. Zumal es sich ja um eines dieser Themen handelt, von denen man auch gar nichts zu wissen braucht, um seine eigene fixe Meinung pflegen zu können, nicht wahr?
maschi - 6. Nov, 14:33

und eine anmerkung wollte ich noch machen zu "Es ist eine Gesellschaft in der es bis weit hinauf in "gebildete Kreise" schick ist zu sagen, "geh lass mich, Wirtschaft interessiert mich nicht":

ich glaub "schick" ist der falsche begriff - ich würde es andersrum formulieren, es ist bis weit hinauf in (bestimmte) gebildete kreise verpönt zu sagen: wirtschaft interessiert mich. tief dahinter steht: wer sich für wirtschaft interessiert, den interessiert primär oder gar "nur" der eigene vorteil. und noch tiefer hinter der ablehnung dieser nur egoistischen menschen dienenden wirtschaft steht eine oftmals überzogene (krankmachende) ablehnung der eigenen egoistischen anteile. und noch tiefer dahinter stehen die historischen wurzeln dafür, so insb. das (manchmal auch zur linken gleichheitsideologie umgeformte) christentum, und insb. der katholizismus. aber das führt jetzt wohl zu weit...

tetrade (Gast) - 6. Nov, 15:40

Erschreckend

finde ich die Denkfehler, die manchen Postern hier unterlaufen: Die beiden Montessori-Schulfreunde Larry Page und Sergey Brin wurden garantiert nicht auf ihrem Bildungsweg mit "Wirtschaftsunterricht" gequält. Sie studierten Mathematik vom verschärften Abstraktionsgrad, Steve Jobs interessierte sich nur für Kunst-und Designvorlesungen bevor er sein Studium abbrach. So entstehen neue Industrien.....

Was wir an unseren höheren Schulen brauchen ist daher KREATIVITÄT, nicht das Auswendiglernen von Hedge-Fund-Sorten und Zinenszinsrechnung. Diese Forderung nach einer totalen Verdinglichung unserer Welt schon im Bildungsbereich (Technik! Naturwissenschaft! Finanzwirtschaft! - lerne für's Leben, nicht für den Elfenebeinturm) ist der Grund, warum bei uns so herzlich wenig NEUES entsteht.

Während die ganze Welt möglichst schnell diese neo-liberale Propagandawalze loswerden will, beissen wir uns an ihr fest - sogar in einem avancierten, grün-liberalen Milieu wie hier.

Wüßte Wolfgang Schüssel was das ist, würde er hier gerne mitbloggen: So wenig Staat wie möglich; so viel Privat wie nötig; Eigenverantwortung quer durch alle Lebensbereiche; Deregulierung von allem, ausser der Bildung - um angewandtes und anwendbares Wissen nicht durch Geisteswissenschaftliches...ach was, durch Geist nicht stören zu lassen.

Euphor (Gast) - 6. Nov, 16:24

na

bumsti - ich bin entsetzt. Die Interpretation "weniger staat - mehr privat" kann ich so nicht stehen lassen.

Wir steheh heute vor der Situation dass der Staat schon die Basics (u.a. Bildung für das Leben, menschenwürdiger Lebensstandard auch für Mindestrentner) nicht auf die Reihe kriegt.

In dieser Situation halte ich es für vermessen, auch noch eine Spekulantenversicherung zu fordern.

tetrade biegt die Bildungsfrage gleich in Klischee der Geistesbildungsfeinde ab.

Ich denke nicht, dass per se ein Widerspruch zwischen einem auf selbständige Lebvensführung gerichteten Schulwesen und Kreativität besteht.
Ganz im Gegenteil.
maschi - 6. Nov, 18:59

ach da sind schon ein paar richtige gedanken drin. aber trotzdem auch sehr viel bewusstes missverstehen... ein bissl zu verstehen, wie märkte, recht und staat funktionieren und wie sie uns dienen schliesst nicht aus, sich eigentlich nur für kunst und design oder sonstwas zu interessieren und die ausbildung abzubrechen. also da mach ich mir jetzt keine sorgen... :)
dieter (Gast) - 6. Nov, 21:03

Schadenfreude macht Spaß, oder?

Eigenverantwortung wäre ein wichtige Angelegenheit. Leider wird das Wort "Eigenverantwortung" missbraucht, um im Mantel seriös klingenden, politischen Diskurses Schadenfreude auf ätschi-bätschi Niveau zu maskieren. So kann man mal kräftig auf die Verlierer treten.

Eigenverantwortung kann realistischerweise nur im Rahmen der menschlichen Natur eingefordert werden. Die Hälfte der Bevölkerung ist unterdurchschnittlich intelligent. 15% haben einen IQ von <85. Daran wird sich nichts ändern und jeder Verantwortliche, der das nicht berücksichtigt, ist selber verantwortungslos.
Mit dem Alter nimmt die Intelligenz dann auch noch ab und die meisten von uns werden, falls wir das Glück haben, ein hohes Alter zu erreichen, selber an einer Form der Alterssenilität leiden.

Selbst hohe Intelligenz, die man bei Politikern und Journalisten unterstellen kann, bringt keine Immunität vor Ahnungslosigkeit. Das zeigt die aktuelle Berichterstattung und Diskussion über die Finanzmarktkrise. Beispielsweise scheinen nicht wenige nicht zu verstehen, dass es einen Unterschied zwischen dem Eigenkapital einer Bank und dem von der Bank verwalteten Vermögen gibt.

Genau das dürfte auch die Dame nicht verstanden haben.

Finanzberater als Kriminelle zu verunglimpfen, wird der Sache auch nicht gerecht. Die Berater werden von ihren Arbeitgebern geschult und sind von ihrem Produkt selbst überzeugt und investieren sicher auch nicht selten in das, was sie selbst verkaufen. Sonst wären sie auch nur halb so effektiv.

Auf Finanzberater vertrauen nun genau jene, die sich selber nicht auskennen. Dafür sind sie ja da. Für alle anderen gibt es schließlich Online-Banking.

Hinzu kommt asymetrische Information. Der smarte Finanzberater weiß mehr und er hat Erfahrung darin, seine Produkte zu verkaufen. Selbst, wenn eine Mindestpensionisten vor 40 Jahren in der Hauptschule etwas über Geldanlage gehört hätte, so kann er sein Produkt problemlos so darstellen, dass es als unbedenklich rüber kommt. Das absolute Bildungsniveau zu heben, bringt da vermutlich wenig, da die Profis immer einen Schritt voraus sein werden. Es fände lediglich ein argumentatives Wettrüsten statt.

Die Welt verändert sich auch ständig und auch die Zinsniveaus. Das, was uns heute als hohe Verzinsung mit hohem Risiko erscheint, gab es früher mal am sicheren Sparbuch, erscheint der alten Witwe also nicht notwendigerweise als riskant.

Auch Christoph Chorherrs Daumenregel hilft uns nicht weiter. Denn wenn die alte Dame gelernt hat, dass eine Rendite-Versprechung, die weit über den aktuellen Sparzinsen liegt, riskant ist, dann verspräche ich als findiger Finanzberater halt weniger für das riskante Produkt und nutze andere Verkaufsargumente. Zb., dass Immobilien sicherer wären, als das Geld der Bank zum spekulieren zu geben usw.

Dass Rendite und Risiko korrelieren würden, gilt nur im idealistischen neoklassischen Modell und das betrifft auch nur den status quo, nicht zukünftige Entwicklungen. Die Finanzmarktkrise basiert darauf, dass Banken, Stadtverwaltungen und andere ihr Geld in als risikofrei geglaubten mortgage backed securities mit niedrigen Renditen parkten.

Wer es nicht glaubt, der soll sich einfach historische Charts von US Asset Backed Commercial Paper ansehen. Diese lagen nur um Bruchteile eines Prozentpunktes über der Interbank Rate. Chorherrs Daumenregel ist nicht die Lösung, sie ist letzlich die Ursache für die Eskalation der Finanzmarktkrise und für die Fehlinvestition europäischer Banken und Stadtverwaltungen.

Raimund Bahr (Gast) - 7. Nov, 12:52

Eigenverantwortung

Lieber Christoph!

Eigenverantwortung ist ja schön und gut, aber die Antworten der Grünen auf die Finanzkrise sind genauso halbherzig wie die der anderen Parrtei. Natürlich ist jeder selbst verantwortlich wenn er ins Casino geht. Nur wieviele Leute wissen, daß sie sich in einem kapitalistischen Casino befinden?
Das System hat nicht versagt. Da gebe ich vollkommen recht. Das System hat folgerichtig reagiert. Es ist abgestürzt, weil zuviele Leute im Kapitalismus zu schnell zu viel Geld verdienen wollten.
Im Kapitalismus wird es immer viele Arme und wenige Reich egeben, auch im gezähmten, den die Grünen favorisieren. Ich denke, die Antworten, die die Grünen finden, unterscheiden sich nicht von denen die die Sozialdemokratie findet.
Die Finanzkrise hat einmal mehr gezeigt, daß die Grünen der kleinere/die kleiner Bruder/Schwester der Sozialdemokratie sind. Die Sozialdemokratisierung hat voll durchgeschlagen. Ist ja auch kein Wunder, da ja viele Grüne aus der SPÖ kommen. Folgerichtig finden sie Reformantworten, ohne eine ernste Hinterfragung des Systems der Ausbeutung in der wir leben auch nur anzudenken.
Das ist der eigentliche Skandal, daß wir dauernd um den heißen Brei herumnreden, ohne zu sagen, das wird nicht besser. beim nächsten Crash werden wieder hunderttausende draufzahlen und ein paar Hundert immens reicher werden. Sagen wir es offen: Wir sind zu feige, um radikal umzuverteilen. http://www.gruenerblog.com/article-23952941.html
Also lassen wir es bleiben, uns dauernd über die anderen zu empören, ohen zu sagen, daß wir froh sind, daß wir am Kapital mitnaschen dürfen, wir die gehobene Mittelschicht, die mittlere Mittelschicht, aus der sich die Grünen beinah ezu hundert Prozent rekrutieren. Geben wir doch offen zu, daß wir zu den Profiteuren dieses kapitalen Systems gehören, deshalb sind wir auch nicht bereit es zu hinterfragen oder besser in Frage zu stellen,w eil wir unsere kleinen Vorgärten und Vortsatdhäuschen, unsere Bürgerwohnungen nicht riskieren wollen.
Also Mund halten udn durch durch die Krise, dann können wir wieder an die Arbeit gehen und sehen, wie wir dem Kapitalismus, den Reichen ein Stückchen Kuchen abringen, für unseer Kaffekränzchen nächste Woche.

Lg
Raimund
Aus dem Bauch der Realwirtschaft

michael (Gast) - 7. Nov, 16:02

das geld

ist nie weg. es hat nur wer anderer. oder anders gesagt: damit wer mit spekulationsgeschäften gewinnt, verlieren andere. einen echten mehrwert erzeugt nur die realwirtschaft. hat man eh gewusst. nur offenbar verdrängt...

e9325827 - 7. Nov, 16:21

Falter-Link

Sehr geehrter Herr Chorherr,

der Artikel ist online auf Falter.at:
http://www.falter.at/web/print/detail.php?id=801

Bezüglich des Desinteresses an Wirtschaft - ich kann es aus eigenem Emfpinden nachvollziehen. Bei Geldanlage geht es in so hohem Maße um irgendwelche Luftbuchungen, um irgendwelche finanzmathematischen Tricks, um irgendwelche steuerschonenden Maßnahmen, alles Zeug, was ich wirklich nicht wissen will. OK, ich weiß, ich muss es wissen, und ich weiß auch einiges, aber ich will mich nicht dafür interessieren.

cc - 7. Nov, 17:55

danke

danke für den Hinweis.
Habs gleich verlinkt
hannes.s - 8. Nov, 16:46

Mein Mitleid mit denjenigen, die ihr Geld in riskante Wertpapiere investiert und damit verloren haben, hält sich sehr in Grenzen. Doch die Diskussion über Eigenverantwortung, die hier läuft, die ärgert mich sehr:

Es geht einfach nicht an, das die Menschen die Verantwortung nur für Entscheidungen übernehmen wollen, wenn sie damit "richtige" getroffen haben und wie immer auch davon profitieren.
Treffen sie "falsche" Entscheidungen, dann wollen sie die Verantwortung delegieren, an die Bank, an den Staat, an die Allgemeinheit.

In den letzten Monaten hiess es immer wieder, die Gewinne werden privatisiert und die Verluste sozialisiert und das wurde den großen Banken, Fonds, etc. angekreidet. Darf ich das jetzt auch allen vorwerfen, die in ihrer unendlichen Jämmerlichkeit darum betteln, das ihnen die Verluste ihrer "falschen" Entscheidungen ersetzt werden?

Wenn die Menschen nicht die Verantwortung für ihre Entscheidungen übernehmen wollen, dann darf man sie auch nicht entscheiden lassen. Sie entmündigen sich selbst.

a.m. (Gast) - 11. Nov, 19:24

"Was ist das für eine Gesellschaft, in der Frau Kosch(laut falter-Artikel) heute sagt: " Ich wußte damals gar nicht, dass ich in Aktien investieren würde." "

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Da gab es ja mal eine Sondersendung im ORF, wo Geschädigte und deren Firmen zu Wort kamen, wie z.B. AWD-Geschädigte.

Da frag ich mich echt, wie sogar eine Rechtsanwältin als Sachwalterin das gesamte Vermögen einer Pensionistin in AWD Aktien anlegen konnte, auch wenn ihr versprochen wurde, dass diese so sicher sind wie ein Sparbuch.
Ich als Laie weiß und wusste da besser bescheid. Aber dass dies einer Expertin passiert, ist schon fragwürdig.

Laien, die von sich aus in Aktien investierten, aufgrund eines falschen Anlageberatungsgespräch, sind jedoch nach dem Konsumentenschutzgesetz zu behandeln. Denn fragwürdige gesetzeswidrige Geschäftspraktiken gehören bestraft.

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