Kdolsky und die Gesamtschule
von cc am 25.04.2007
Quelle: heute
Während der ministerielle Pausenclown Andrea Kdolsky(im Nebenberuf Gesundheitsministerin) uns wahlweise mit grüner Pappnase oder Mulatschak tanzend aus allen Gazetten entgegenspringt, scheint in Wien wirklich eine sehr weitreichende Entscheidung gefallen zu sein.
Vizebürgermeisterin Laska kündigte an, ab 2009 nahezu flächendeckend die Gesamtschule einführen zu wollen.
Das wird spannend, denn sehr viele Fragen sind offen (bei der Gemeinderatssitzung am Freitag werden wir sie stellen)
1.) Eigentlich ist Laska dafür nicht zuständig. Um die Gesamtschule flächendeckend einzuführen bedarf es einer Gesetzesänderung auf Bundesebene (ob da die VP mitgeht?)
2.) Oder man machts als Schulversuch (was zwar rechtlich "hatscht", denn flächendeckend ist so etwas schwer argumentierbar) aber es ginge (wenn es das Ministerium duldet).
Jedoch: Dann müssen jeweils 2/3 der Lehrer/innen, der Elternvertreter und der Schüler/innen zustimmen, und zwar in jeder einzelnen Schule.
Angesichts des jetzt schon laut artikulierten Widerstands von AHS-Lehrergewerkschaft und AHS Eltern wird das mühsam bis unmöglich.
3.) Wie schaut die Übergangsfrist aus. Was machen jene Schüler/innen, die z.B. jeweils die 2. oder 3. Klasse AHS bzw Hauptschule besuchen.
Oder handelt es sich bei oben zitierten Vorschlag bloss um ein unabgesprochenes "brainstorming"?
Nachtrag 6 Stunden später : Scheint alles wie das Horberger Schiessen auszugehen.
Die Wiener Stadtschulratspräsidentin meint dazu: Geht sich bis 2009 nie aus. Soviel zur Wiener SPÖ:
Fragen über Fragen.
Ich bin gespannt, wie das weitergeht.Wir werden diese Fragen
(und viele mehr dazu) in den nächsten Tagen stellen.
Und sicher auch Wege finden, dies öffentlich zu machen.
Auch wenn inzwischen Kdolsky sicher ein ganz lustiger neuer Spass einfällt.
Fragen an Frau Laska
1. Was belegt, dass eine Gesamtschule in unserem Gesellschaftssystem "funktioniert", d.h. für bessere Bildungschancen der Unterprivilegierten sorgen kann? In England und den USA (trad. Gesamtschulländer) ist die Bildungsverteilung nämlich noch viel ungleicher als in Österreich.
2. Warum soll krampfhaft ein historisch gewachsenes System "zusammengelegt" werden (wie auch immer das gehen soll), wenn eindeutig ist, wo die Probleme liegen - in den Hauptschulen der Ballungsräume nämlich. Die Gymnasien, BHSen und Hauptschulen am Land funktionieren prächtig.
3. Wie soll in der Praxis eine "Durchmischung" von Schülern unterschiedlicher Milieus und Bildungsvoraussetzungen ablaufen? Mit Quotenzwang? Reichen die "guten Vorbilder" in den Klassen, um Kinder bildungsferner Schichten zu fördern?
4. Können mit einem neuen Schulsystem die Sozialisierung der Kinder und Defizite des Elternhauses (sozial, einkommensmäßig, Einstellung zur Bildung etc.) kompensiert werden?
5. Wie soll der Gesamtschulunterricht in der Praxis ablaufen? Die Schüler und Lehrer aufeinander loszulassen wird wohl nicht reichen - es wird Heerscharen an Förderlehrern, Sozialarbeitern, Psychologen, Elternberatern etc. geben müssen.
6. Schließlich müsste das gesamte Unterrichtssystem vom Lehrplan über die Fächerdefinition bis zur Frage nach einer Ganztagsbetreuung umgestellt werden, Schulen müssten umgebaut werden (Aufenthaltsräume, Schulkantinen etc.). Das geht von einem Schuljahr aufs andere?
7. Nicht zuletzt sollten sich vielleicht nicht nur Theoretiker und Politiker mit diesen Fragen auseinandersetzen, sondern Praktiker, also Lehrer, die jahrzehntelange Erfahrung haben und - why not - vielleicht auch Schüler. Denn um die gehts ja schließlich.
Also, wenn die gute Frau Laska diese Fragen zufriedenstellend beantworten kann, dann habe ich absolut nichts gegen eine Gesamtschule.
Andernfalls bin ich für eine umfassende Reform der städtischen Hauptschulen - warum sollte der Patient am ganzen Körper operiert werden, wenn nur das Bein gebrochen ist...