#unibrennt und die Demokratie
von cc am 26.11.2009
Datum hat Erhard Busek und mich eingeladen, zu den Studentenprotesten jeweils einen Kommentar zu schreiben.
hier der meinige:
In Umbruchszeiten haben Universitäten immer eine führende Rolle gespielt. Deren Bedeutung, die von Studenten initiierten kulturellen und politischen Umbrüche, wurde oft erst viel später erkannt. Wer hätte im Mai 1968 erahnen können, daß noch fünfzig Jahre später höchst kontroversiell über “die 68er”, und deren tiefgreifende Umwälzungen diskutiert werden würde.
Rückt die Frage, “Was ist eigentlich die Aufgabe, die Rolle der Universität” ins Zentrum der politischen Debatte, dann wird automatisch und unvermeidbar über die Gesellschaft als Ganzes debattiert.
Insofern ist den protestierenden Studenten bereits Wichtiges gelungen: Unis sind leidenschaftlicher öffentlicher Streitpunkt geworden.
Herrlich: Wir werden deswegen z.B. davon verschont, vom “traditionellen polit-journalistischen Komplex” tagelang mit Erörterungen belästigt zu werden, wer denn jetzt gegen Heinz Fischer schon oder auch nicht antritt.
Neben der wichtigen Frage, nein, dem empörten Aufschrei, wie erbärmlich die finanzielle Dotierung, die Wertschätzung für unsere Universitäten aussieht, schiebt sich ein weiteres fundamentales Thema ins Zentrum. Jenes, nach dem Zustand und den Möglichkeiten der Demokratie in Österreich.
Eins fällt bei den Studenten sofort auf: Ihre Ablehnung gegen alles, was nach Institutionen, Parteien, ja grundsätzlch Vertretungskörpern aussieht.
Statt dessen, ihr gelebter Slogan: “Wir machen es selbst”.
Und hier beginnen sich die Geister der Öffentlichkeit zu scheiden. Denn Menschen, welche noch nie ein Werkzeug der digitalen sozialen Medien, ob facebook, twitter oä genutzt haben, muß deren Organisations- und Kommunikationsstil völlig unverständlich sein.
Hier gibt es weder Redaktionsschluß, noch können “die anderen” von der Kommunikation ausgeschlossen werden. “Zurückreden” , sowie eigene Ideen und Initiativen einbringen, völlige Transparenz einfordern, und sich in Sekundenschnelle über das Wesentliche informieren, das ist jetzt plötzlich Prinzip. Jeder, der dabei sein will, ist sofort mittendrin. Weil es keine zentral steuernde Mitte gibt.
Das kann man nicht erklären, da muß man dabeisein, um dieses gewaltige Potential zu erahnen.
Eigentlich lautet die implizite Botschaft der Studenten, lautstark und kraftvoll vorgetragen und vorgelebt: “Wir brauchen Eure verknöcherte, lahme, klüngelzentrierte repräsentative Demokratie nicht mehr! Denn wir haben kaum etwas von ihr, aber auch sonst bringt sie kaum etwas zustande.”
Sie haben recht: Unsere Demokratie liegt auf der Intensivstation. Man frage irgendwen im “traditionellen polit-journalistischen Komplex”: “Glaubst Du, diese Demokratie mit dieses Akteuren kann die überall geforderte Bildungsreform, eine notwendige Umgestaltung unseres Gesundheitswesens, ein wirksames Klimaschutzprogramm oder eine wirkliche Erneuerung des ORF ausarbeiten?” wird ein zynisches Lächeln sowie ein klares “Nein” erhalten.
Das Establishment hat sich selbst längst aufgegeben.
Die Studenten sind vom Gift des Zynismus noch nicht angesteckt.
Aber anstatt “das System” bloß zu kritisieren, schaffen sie sich höchst effizient und in kürzester Zeit ein eigenes.
Und sie agieren transnational. Der Protest ist längst auf dutzende deutsche Universitäten übergesprungen, interaktive Karten (z.B. am wunderbaren blog von Tom Schaffer ) werden stündlich aktualisiert, und es wird gelernt.
Daß Denken vom Handeln nicht zu trennen ist, dass erst neue Wirklichkeiten neue Gedanken ermöglichen, das erproben tausende jeden Tag im Audimax verschiedenster Hochschulen.
Wenn sich kopfschüttelnd nicht nur ältere Semester darüber alterieren, dass zu viel gefeiert wird, dann zeigen sie damit nur, dass sie nichts kapiert haben.
Jede Kultur hat auch ihre Feste, ihre Musik und Filme, das Laute und Wilde.
Sonst wäre es blutleer.
Auf den europäischen Unis werden derzeit die Grundlagen einer neuen Demokratie gelegt.
Denn die alte ist müde und ausgelaugt, sie hat immer weniger Anhänger, löst kaum mehr Probleme, ist mehr erstarrtes Ritual als lebendige Auseinandersetzung.
“Postdemokratie” nannte es vor Jahren Colin Crouch, und verwies v.a. auf die Entwicklung in Italien unter Berlusconi, wo sich hinter einer scheindemokratische Fassade, dank perfekter “Belustigung” durch gesteuerte Medien, die ökonomisch Mächtigen ihre alten Strippen ziehen.
Es fällt nicht schwer, sich diesen beängstigenden Prozeß auch in Österreich vorzustellen.
Und dann, ganz plötzlich, scheinbar aus dem Nichts, geht ausgerechnet von Wien diese internationale Demokratiebewegung aus.
Während “old politics” sündteure Spindoktoren dingt, um irgendwelche Botschaften via “old media” unters Volk zu bringen versucht, bzw Millionen an Steuergelden ausgibt, um Inseratenseiten zu buchen, damit “wohlwollende” Berichterstattung abfällt, entwickeln die Studenten ein unglaublich feines Gespür, wie man Öffentlichkeit herstellt.
Überall sonst auf der Welt hätten sie eine große Bank, ein Ministerium oder eine Zeitungsredaktion besetzt.
Und in Wien? Das Burgtheater! Da klatscht und buht das Publikum, hier ist die wirklich große Bühne. Das hatte schon weiland Peymann gewußt.Am Tag danach waren alle Medien voll damit. Und es wäre nicht Wien, wo man jemanden kennt, der jemanden kennt, und so hatten die Studenten, wozu auch unnötiger Wick´l, den publikumswirksamen Auftritt mit den Hausherren der Burg abgesprochen.
So macht man das.
Aber wie weiter?
Wenn dieser (einmal noch!) “traditionell polit-journalistische Komplex” noch einen Funken Verstand hat, dann nutzt er die Chance, die ihm die Studenten geben.
Er greift die Frage auf, welche die Studenten so nachdrücklich stellen: Hinter der Forderung “Bildung statt Ausbildung!” muß endlich grundsätzlich die Aufgabe, Rolle und Finanzierung (in dieser Reihenfolge) öffentlich und breit diskutiert werden.
Eine parlamentarische Enquetekommission, die dies ein Jahr lang unter Einbeziehung der Studierenden sowie Angehörigen des Hochschulwesens diskutiert, und dann auch zu konkreten Ergebnissen kommt, könnte ein Weg sein.
Am Ende käme man wahrscheinlich drauf, daß es einen Unterschied zwischen Fachhochschulen und Universitäten gibt, der anders ist als derzeit, wo man sich auf der FH bewirbt und nur dann, wenn man nicht genommen wird, auf die Uni geht.
Und man wird sogar einen Konsens darüber erzielen können, deutlich mehr Mittel in die “Infrastruktur” Universität, statt in weitere Straßentunnel zu stecken, die ebenso “deutsche” Touristen benutzen.
Schließlich werden viele Wege neu zu gehen, Demokratie neu zu erfinden, zu erproben sein.
Daß es anders geht, zeigt sich grad an unseren Universitäten.
Denn derzeit haben wir uns weit davon entfernt zu empfinden, daß Demokratie so verstanden wird: ”... that government of the people, by the people, for the people, shall not perish from the earth”.
hier der meinige:
In Umbruchszeiten haben Universitäten immer eine führende Rolle gespielt. Deren Bedeutung, die von Studenten initiierten kulturellen und politischen Umbrüche, wurde oft erst viel später erkannt. Wer hätte im Mai 1968 erahnen können, daß noch fünfzig Jahre später höchst kontroversiell über “die 68er”, und deren tiefgreifende Umwälzungen diskutiert werden würde.
Rückt die Frage, “Was ist eigentlich die Aufgabe, die Rolle der Universität” ins Zentrum der politischen Debatte, dann wird automatisch und unvermeidbar über die Gesellschaft als Ganzes debattiert.
Insofern ist den protestierenden Studenten bereits Wichtiges gelungen: Unis sind leidenschaftlicher öffentlicher Streitpunkt geworden.
Herrlich: Wir werden deswegen z.B. davon verschont, vom “traditionellen polit-journalistischen Komplex” tagelang mit Erörterungen belästigt zu werden, wer denn jetzt gegen Heinz Fischer schon oder auch nicht antritt.
Neben der wichtigen Frage, nein, dem empörten Aufschrei, wie erbärmlich die finanzielle Dotierung, die Wertschätzung für unsere Universitäten aussieht, schiebt sich ein weiteres fundamentales Thema ins Zentrum. Jenes, nach dem Zustand und den Möglichkeiten der Demokratie in Österreich.
Eins fällt bei den Studenten sofort auf: Ihre Ablehnung gegen alles, was nach Institutionen, Parteien, ja grundsätzlch Vertretungskörpern aussieht.
Statt dessen, ihr gelebter Slogan: “Wir machen es selbst”.
Und hier beginnen sich die Geister der Öffentlichkeit zu scheiden. Denn Menschen, welche noch nie ein Werkzeug der digitalen sozialen Medien, ob facebook, twitter oä genutzt haben, muß deren Organisations- und Kommunikationsstil völlig unverständlich sein.
Hier gibt es weder Redaktionsschluß, noch können “die anderen” von der Kommunikation ausgeschlossen werden. “Zurückreden” , sowie eigene Ideen und Initiativen einbringen, völlige Transparenz einfordern, und sich in Sekundenschnelle über das Wesentliche informieren, das ist jetzt plötzlich Prinzip. Jeder, der dabei sein will, ist sofort mittendrin. Weil es keine zentral steuernde Mitte gibt.
Das kann man nicht erklären, da muß man dabeisein, um dieses gewaltige Potential zu erahnen.
Eigentlich lautet die implizite Botschaft der Studenten, lautstark und kraftvoll vorgetragen und vorgelebt: “Wir brauchen Eure verknöcherte, lahme, klüngelzentrierte repräsentative Demokratie nicht mehr! Denn wir haben kaum etwas von ihr, aber auch sonst bringt sie kaum etwas zustande.”
Sie haben recht: Unsere Demokratie liegt auf der Intensivstation. Man frage irgendwen im “traditionellen polit-journalistischen Komplex”: “Glaubst Du, diese Demokratie mit dieses Akteuren kann die überall geforderte Bildungsreform, eine notwendige Umgestaltung unseres Gesundheitswesens, ein wirksames Klimaschutzprogramm oder eine wirkliche Erneuerung des ORF ausarbeiten?” wird ein zynisches Lächeln sowie ein klares “Nein” erhalten.
Das Establishment hat sich selbst längst aufgegeben.
Die Studenten sind vom Gift des Zynismus noch nicht angesteckt.
Aber anstatt “das System” bloß zu kritisieren, schaffen sie sich höchst effizient und in kürzester Zeit ein eigenes.
Und sie agieren transnational. Der Protest ist längst auf dutzende deutsche Universitäten übergesprungen, interaktive Karten (z.B. am wunderbaren blog von Tom Schaffer ) werden stündlich aktualisiert, und es wird gelernt.
Daß Denken vom Handeln nicht zu trennen ist, dass erst neue Wirklichkeiten neue Gedanken ermöglichen, das erproben tausende jeden Tag im Audimax verschiedenster Hochschulen.
Wenn sich kopfschüttelnd nicht nur ältere Semester darüber alterieren, dass zu viel gefeiert wird, dann zeigen sie damit nur, dass sie nichts kapiert haben.
Jede Kultur hat auch ihre Feste, ihre Musik und Filme, das Laute und Wilde.
Sonst wäre es blutleer.
Auf den europäischen Unis werden derzeit die Grundlagen einer neuen Demokratie gelegt.
Denn die alte ist müde und ausgelaugt, sie hat immer weniger Anhänger, löst kaum mehr Probleme, ist mehr erstarrtes Ritual als lebendige Auseinandersetzung.
“Postdemokratie” nannte es vor Jahren Colin Crouch, und verwies v.a. auf die Entwicklung in Italien unter Berlusconi, wo sich hinter einer scheindemokratische Fassade, dank perfekter “Belustigung” durch gesteuerte Medien, die ökonomisch Mächtigen ihre alten Strippen ziehen.
Es fällt nicht schwer, sich diesen beängstigenden Prozeß auch in Österreich vorzustellen.
Und dann, ganz plötzlich, scheinbar aus dem Nichts, geht ausgerechnet von Wien diese internationale Demokratiebewegung aus.
Während “old politics” sündteure Spindoktoren dingt, um irgendwelche Botschaften via “old media” unters Volk zu bringen versucht, bzw Millionen an Steuergelden ausgibt, um Inseratenseiten zu buchen, damit “wohlwollende” Berichterstattung abfällt, entwickeln die Studenten ein unglaublich feines Gespür, wie man Öffentlichkeit herstellt.
Überall sonst auf der Welt hätten sie eine große Bank, ein Ministerium oder eine Zeitungsredaktion besetzt.
Und in Wien? Das Burgtheater! Da klatscht und buht das Publikum, hier ist die wirklich große Bühne. Das hatte schon weiland Peymann gewußt.Am Tag danach waren alle Medien voll damit. Und es wäre nicht Wien, wo man jemanden kennt, der jemanden kennt, und so hatten die Studenten, wozu auch unnötiger Wick´l, den publikumswirksamen Auftritt mit den Hausherren der Burg abgesprochen.
So macht man das.
Aber wie weiter?
Wenn dieser (einmal noch!) “traditionell polit-journalistische Komplex” noch einen Funken Verstand hat, dann nutzt er die Chance, die ihm die Studenten geben.
Er greift die Frage auf, welche die Studenten so nachdrücklich stellen: Hinter der Forderung “Bildung statt Ausbildung!” muß endlich grundsätzlich die Aufgabe, Rolle und Finanzierung (in dieser Reihenfolge) öffentlich und breit diskutiert werden.
Eine parlamentarische Enquetekommission, die dies ein Jahr lang unter Einbeziehung der Studierenden sowie Angehörigen des Hochschulwesens diskutiert, und dann auch zu konkreten Ergebnissen kommt, könnte ein Weg sein.
Am Ende käme man wahrscheinlich drauf, daß es einen Unterschied zwischen Fachhochschulen und Universitäten gibt, der anders ist als derzeit, wo man sich auf der FH bewirbt und nur dann, wenn man nicht genommen wird, auf die Uni geht.
Und man wird sogar einen Konsens darüber erzielen können, deutlich mehr Mittel in die “Infrastruktur” Universität, statt in weitere Straßentunnel zu stecken, die ebenso “deutsche” Touristen benutzen.
Schließlich werden viele Wege neu zu gehen, Demokratie neu zu erfinden, zu erproben sein.
Daß es anders geht, zeigt sich grad an unseren Universitäten.
Denn derzeit haben wir uns weit davon entfernt zu empfinden, daß Demokratie so verstanden wird: ”... that government of the people, by the people, for the people, shall not perish from the earth”.
Leider
Leider habe ich das Vertrauen in die (österreichische) Demokratie längst verloren. Eine neue Demokratie wäre schön, klingt für mich aber (noch) idealistisch. Wann soll sich diese wie etablieren? Bei den derzeit festgefahrenen Strukturen und "Verfransungen"...