15 Punkte Wahlanalyse
von cc am 26.10.2005
Jetzt genug gefreut über Vorzugsstimmen
danke für alle Gratulationen
noch mehr danke für die vielen Beiträge, Analysen und Vorschläge.
Nach einigem Schmökern in Wahldaten, vielen Gesprächen und eigenem Nachdenken hier meine Wahlanalyse in 15 Punkten (Achtung Inhalt, ist notgedrungen länger geworden)
1.) Diese Wahl war (im Unterschied zur Steiermark und zum Burgenland, wo wir verloren haben) ein Erfolg: Die grössten Stimmengewinne aller Parteien (zur Erinnerung: die SP hat Stimmen verloren)
2.) Vor allem der Bezirksvorsteher in der Josefstadt, aber auch die Stellvertreter in weiteren Bezirken (2,5,6,9,15)- und das nicht nur innerhalb des Gürtels (zweitstärkste Partei auch im 15. , im Bezirk mit dem höchsten Anteil an Migrant/innen) ist ein Meilenstein grüner Entwicklung
3.) Getrübt wurde die Freude v.a. durch den "Erfolg" der Strache FPÖ (obwohl diese Partei massiv verloren hat) aber über allen Erwartungen und v.a. vor uns Grünen liegt (auf Gemeinde-nicht auf Bezirksebene)
4.) Es wäre ein Irrtum, vom "Erfolg" der FPÖ etwas lernen zu wollen; siehe die
viele Vorschläge nach "einfacherer, klarerer, kantigerer sogar aggressiverer Kommunikation". Nein: Ressentiments kann man so darstellen. Grüne Politik kann nie auf derartige Gefühle oder "eindeutige" Antworten setzen.
Wer nur abrechnen, seinen Frust abladen will, wird nur im seltensten Fall Grün wählen.
5.) Noch ein (letztes mal) FPÖ:
Es gibt - leider noch immer - ein Potential von ca 10-20% der Bevölkerung, die sich bedroht und benachteiligt fühlen, es oft auch sind, und Zuflucht zu starken, scheinbar strahlenden Männern suchen, die deren Bedrohung einen Namen geben (früher Juden, jetzt Ausländer)
6.) Hier kann und muss Politik Angst nehmen: Der Schlüssel dazu lautet: Bildung.
7.) Das Wahlergebnis hat für uns Grüne aber auch gezeigt: Wir kommen (mit knapp 15% in Wien) an die Grenzen des Möglichen mit der derzeit praktizierten Politik. Wollen wir mehr, muss sich etwas wesentliches ändern.
8.) Und diese Grenze zeigt sich räumlich: Während wir in den Innenbezirken , aber auch im Westen deutliche Stimmengewinne verzeichnen konnten, blieben v.a. vier Bezirke (10, 11, 21 und 22) völlig zurück.
Überall dort: Unter 10%
In diesen vier Bezirken leben jedoch 35% der Wiener Wahlberechtigten.
9.) Diese räumliche Trennung hat auch einen Namen: Milieu
Das zeigt sich daran, dass es "grüne Milieus", die z.B. auch Floridsdorf gibt. So erreichten wir in jenem Sprengel, indem die autofreie Siedlung liegt 36,8% Stimmen für uns Grüne, nur knapp hinter der SPÖ.
10.) Grün-affine Milieus kennen und schätzen unsere Haltungen (Umwelt, Menschenrechte, Weltoffenheit, soziale Gesinnung) kritisieren vielleicht Gewichtungen und "Ausrutscher", wir sind ihnen aber nicht fremd. Wahrscheinlich ist es nicht falsch, dieses Milieu auch als eher "akademisch" zu bezeichen. (Erkennbar an der Sprache)
11.) Wenn wir weiter wachsen wollen müssen wir Politik in einem Stil machen, der über unser eigenes Milieu hinaus verstanden und geglaubt werden kann. Denn der Mehrheit der Menschen, die uns vielleicht wählen könnten (und dieses mögliche Ansinnen auch in Umfragen bekunden) sind wir und unsere Politik fremd.
12.) Diese Fremdheit besteht aber auch in der anderen Richtung. Wir (in unserem Milieu) verstehen oft viel zuwenig, was andere Menschen interessiert, beschäftigt, ängstigt. (das hat ein poster aus Simmering hier richtig beschrieben)
13.) Grüne Politik sollte (wenn wir weiter wachsen wollen) dreierlei tun:
a) Sich auf konkrete persönliche Gespräche (wie wärs mit mailings-die einfache Fragen stellen- einmal nach der Wahl) einlassen. Das kostet Zeit und braucht viele Personen. Das erste wäre wahrscheinlich die schlichte Frage, was von uns erwartet wird: Da wird es Überraschungen geben.
b) Wir müssen nicht bloss Haltungen präsentieren, sondern herausstreichen, was der einzelne von Grüner Politik profitiert.
c) Und weil Politik von Personen mit Leidenschaft und Charakter gemacht wird. Wir sollten uns gut überlegen, welche Personen in anderen Milieus grüne Politik gut präsentieren könnten.
Und ohne allzuviel aus "internas" auszuplaudern: Diese Frage haben wir bisher zuwenig gestellt.
14.) Die politisch-thematischen Prioritäten sind meines Erachtens klar:
Ich nenne jetzt bewusst nur drei, wissen, dass jetzt alle über mich herfallen, was alles aus dem umfangreichen grünen Programm ich vergessen habe.
Aber Schwerpunktsetzung erzwingt, gewisse Dinge eben nicht als Priorität zu nennen, auch wenns schwerfällt
a) Bildung als sozialpolitischer Schlüssel für Chancen des Aufstiegs (z.B. für Migranten): hier sollten wir klarer zeigen, was anders wird, wenn grün kommt
b) die Energie-Verkehrs-Klimawende samt den wunderbaren Technologien, die dann die Leittechnologien sein werden (diese konkrfet zeigen, umsetzen, propagieren)
c) ein anderer Politikstil gerade im sozialdemokratisch feudalen Obrigkeitsstaat Wien:
Dialog, Offenheit, Lernfähigkeit statt fürstlich bürokratischem Gehabe (ich glaube, dass Thomas Blimlinger im 7. gerade damit gepunktet hat). Da gehts z.B. um eine andere Medienpolitik.
15.) Wenn den Menschen klarer ist, wer wir sind und was wir wollen, dann können wir auch gelassener mit der Frage nach koalitionen umgehen. Dann wir z.B. ziemlich klar, dass zwischen der Politik, die die VP gerade praktiziert und der unserern Welten liegen.Aber dann stecken wir ach nicht mehr im Schubladerl der SPÖ, die sich immer und klarerweise offenhält, mit der VP zu koalieren.
Wenn klarer ist, wer wir sind und was wir wollen, dann können wir auch primär mit diesen unseren konkreten Vorhaben werben, und werden auch dazu befragt.
Das hat nicht zuletzt etwas mit dem Anspruch auf Hegemonien der Öffentlichket zu tun (um wieder milieugemäss akademisch zu werden).
Wenns uns nicht gelingt unsere Themen zu setzen, dann kommt der "Ausländerwahlkampf".
Und den gewinnen mit Sicherheit nicht wir.
danke für alle Gratulationen
noch mehr danke für die vielen Beiträge, Analysen und Vorschläge.
Nach einigem Schmökern in Wahldaten, vielen Gesprächen und eigenem Nachdenken hier meine Wahlanalyse in 15 Punkten (Achtung Inhalt, ist notgedrungen länger geworden)
1.) Diese Wahl war (im Unterschied zur Steiermark und zum Burgenland, wo wir verloren haben) ein Erfolg: Die grössten Stimmengewinne aller Parteien (zur Erinnerung: die SP hat Stimmen verloren)
2.) Vor allem der Bezirksvorsteher in der Josefstadt, aber auch die Stellvertreter in weiteren Bezirken (2,5,6,9,15)- und das nicht nur innerhalb des Gürtels (zweitstärkste Partei auch im 15. , im Bezirk mit dem höchsten Anteil an Migrant/innen) ist ein Meilenstein grüner Entwicklung
3.) Getrübt wurde die Freude v.a. durch den "Erfolg" der Strache FPÖ (obwohl diese Partei massiv verloren hat) aber über allen Erwartungen und v.a. vor uns Grünen liegt (auf Gemeinde-nicht auf Bezirksebene)
4.) Es wäre ein Irrtum, vom "Erfolg" der FPÖ etwas lernen zu wollen; siehe die
viele Vorschläge nach "einfacherer, klarerer, kantigerer sogar aggressiverer Kommunikation". Nein: Ressentiments kann man so darstellen. Grüne Politik kann nie auf derartige Gefühle oder "eindeutige" Antworten setzen.
Wer nur abrechnen, seinen Frust abladen will, wird nur im seltensten Fall Grün wählen.
5.) Noch ein (letztes mal) FPÖ:
Es gibt - leider noch immer - ein Potential von ca 10-20% der Bevölkerung, die sich bedroht und benachteiligt fühlen, es oft auch sind, und Zuflucht zu starken, scheinbar strahlenden Männern suchen, die deren Bedrohung einen Namen geben (früher Juden, jetzt Ausländer)
6.) Hier kann und muss Politik Angst nehmen: Der Schlüssel dazu lautet: Bildung.
7.) Das Wahlergebnis hat für uns Grüne aber auch gezeigt: Wir kommen (mit knapp 15% in Wien) an die Grenzen des Möglichen mit der derzeit praktizierten Politik. Wollen wir mehr, muss sich etwas wesentliches ändern.
8.) Und diese Grenze zeigt sich räumlich: Während wir in den Innenbezirken , aber auch im Westen deutliche Stimmengewinne verzeichnen konnten, blieben v.a. vier Bezirke (10, 11, 21 und 22) völlig zurück.
Überall dort: Unter 10%
In diesen vier Bezirken leben jedoch 35% der Wiener Wahlberechtigten.
9.) Diese räumliche Trennung hat auch einen Namen: Milieu
Das zeigt sich daran, dass es "grüne Milieus", die z.B. auch Floridsdorf gibt. So erreichten wir in jenem Sprengel, indem die autofreie Siedlung liegt 36,8% Stimmen für uns Grüne, nur knapp hinter der SPÖ.
10.) Grün-affine Milieus kennen und schätzen unsere Haltungen (Umwelt, Menschenrechte, Weltoffenheit, soziale Gesinnung) kritisieren vielleicht Gewichtungen und "Ausrutscher", wir sind ihnen aber nicht fremd. Wahrscheinlich ist es nicht falsch, dieses Milieu auch als eher "akademisch" zu bezeichen. (Erkennbar an der Sprache)
11.) Wenn wir weiter wachsen wollen müssen wir Politik in einem Stil machen, der über unser eigenes Milieu hinaus verstanden und geglaubt werden kann. Denn der Mehrheit der Menschen, die uns vielleicht wählen könnten (und dieses mögliche Ansinnen auch in Umfragen bekunden) sind wir und unsere Politik fremd.
12.) Diese Fremdheit besteht aber auch in der anderen Richtung. Wir (in unserem Milieu) verstehen oft viel zuwenig, was andere Menschen interessiert, beschäftigt, ängstigt. (das hat ein poster aus Simmering hier richtig beschrieben)
13.) Grüne Politik sollte (wenn wir weiter wachsen wollen) dreierlei tun:
a) Sich auf konkrete persönliche Gespräche (wie wärs mit mailings-die einfache Fragen stellen- einmal nach der Wahl) einlassen. Das kostet Zeit und braucht viele Personen. Das erste wäre wahrscheinlich die schlichte Frage, was von uns erwartet wird: Da wird es Überraschungen geben.
b) Wir müssen nicht bloss Haltungen präsentieren, sondern herausstreichen, was der einzelne von Grüner Politik profitiert.
c) Und weil Politik von Personen mit Leidenschaft und Charakter gemacht wird. Wir sollten uns gut überlegen, welche Personen in anderen Milieus grüne Politik gut präsentieren könnten.
Und ohne allzuviel aus "internas" auszuplaudern: Diese Frage haben wir bisher zuwenig gestellt.
14.) Die politisch-thematischen Prioritäten sind meines Erachtens klar:
Ich nenne jetzt bewusst nur drei, wissen, dass jetzt alle über mich herfallen, was alles aus dem umfangreichen grünen Programm ich vergessen habe.
Aber Schwerpunktsetzung erzwingt, gewisse Dinge eben nicht als Priorität zu nennen, auch wenns schwerfällt
a) Bildung als sozialpolitischer Schlüssel für Chancen des Aufstiegs (z.B. für Migranten): hier sollten wir klarer zeigen, was anders wird, wenn grün kommt
b) die Energie-Verkehrs-Klimawende samt den wunderbaren Technologien, die dann die Leittechnologien sein werden (diese konkrfet zeigen, umsetzen, propagieren)
c) ein anderer Politikstil gerade im sozialdemokratisch feudalen Obrigkeitsstaat Wien:
Dialog, Offenheit, Lernfähigkeit statt fürstlich bürokratischem Gehabe (ich glaube, dass Thomas Blimlinger im 7. gerade damit gepunktet hat). Da gehts z.B. um eine andere Medienpolitik.
15.) Wenn den Menschen klarer ist, wer wir sind und was wir wollen, dann können wir auch gelassener mit der Frage nach koalitionen umgehen. Dann wir z.B. ziemlich klar, dass zwischen der Politik, die die VP gerade praktiziert und der unserern Welten liegen.Aber dann stecken wir ach nicht mehr im Schubladerl der SPÖ, die sich immer und klarerweise offenhält, mit der VP zu koalieren.
Wenn klarer ist, wer wir sind und was wir wollen, dann können wir auch primär mit diesen unseren konkreten Vorhaben werben, und werden auch dazu befragt.
Das hat nicht zuletzt etwas mit dem Anspruch auf Hegemonien der Öffentlichket zu tun (um wieder milieugemäss akademisch zu werden).
Wenns uns nicht gelingt unsere Themen zu setzen, dann kommt der "Ausländerwahlkampf".
Und den gewinnen mit Sicherheit nicht wir.
die sp hat
laut wien.gv.at hat sie 2,18% dazugewonnen, oder sehe ich das falsch? oder stimmen die daten nicht?
SP hat verloren oder nicht?
Die Zahlen: SP: minus 3 221 Stimmen (im Vergleich zur letzten Wahl)
Grüne: plus 10 037
Da die Wahlbeteiligung diesmnal aber deutlich geringer war, steht diesem Minus an Stimmen ein Plus an Prozentpunkten gegenüber.
ach so ist das,
dass die wahlbeteiligung so gering war und immer geringer wird, ist wohl das beunruhigendste symptom in den letzten jahren, das ich für noch beunruhigender halte, wie das abschneiden der fpö, die mit angstparolen wähler einfangen konnte. die große "partei" der nichtwählengeher ist das demokratiezersetzendere potential als die fpö-wähler, denke ich.