Vergebliches Flehen an der Zapfsäule
von cc am 23.06.2008
Diesmal ein Kommentar im Standard.
Darin spreche ich einmal mehr das "2-Liter-Auto" an.
Wie das aussehen könnte?
So.
Hier der Kommentar im Volltext:
Erhören sie unser Flehen, die Saudis? Diese Frage war Spitzenmeldung vor dem Wochenende. Und dann die große Erleichterung. Sie drücken auf den Knopf und erhöhen die Fördermenge.So wurde und wird berichtet. Österreichs bekannter Ölexperte Martin Bartenstein durfte am wundersamen Ölpreisgipfel von Dschidda teilnehmen und berichtete dann wiederholt in den Journalen im Radio: Ja, jetzt gebe es berechtigte Hoffnung, dass der Ölpreis wieder sinkt.
Dieses Wochenende zeigt vor allem eines: Wie billig sich Österreichs Mainstream-Wirtschaftsjournalimus von den Saudis abspeisen lässt. - Was nicht zu lesen, oder zu hören war:
1. Was meinen die Saudis, wenn sie die Fördermenge auf 12,5 Mio. Barrel erhöhen möchten. Meinen sie "crude", dann wäre das eine Sensation, denn aus "crude" kann man Benzin, Diesel etc. raffinieren. Oder meinen sie "liquids", das sind jene flüssigen Kuppelprodukte, die bei der Gasförderung anfallen, die gut für die chemische Industrie geeignet sind, aber Benzin kann man sehr schwer daraus machen. Die Differenz zwischen diesen beiden Sorten beträgt immerhin 2 Mio. Fass.
2. Warum schaut kaum jemand ins Archiv? Derartige Beschwichtigungskonferenzen gab's in den letzten Jahren immer wieder. Strickmuster: Saudis geben sich besorgt und versprechen verstärkte Förderung. Der Ölpreis müsse sinken. - Und was geschah?
3. Die Ölförderung (von "crude" wie von "liquids") der Saudis geht seit 2006 zurück. Erst in den letzten Monaten stieg sie wieder leicht an, liegt aber deutlich unter dem bisherigen Fördermaximum.
4. Die meisten der saudischen Ölfelder sind sehr alt. Das mit Abstand ergiebigste Feld Saudi-Arabiens, Ghawar, wurde 1948 entdeckt und liefert seitdem. Wenn dort der Fördergipfel erreicht ist, geht's steil bergab. Die Kernfrage lautet daher: Wollen die Saudis nicht, oder können sie nicht mehr?
5. Die Ölfelder der Nordsee, als auch Mexikos, sowieso der USA und seit jüngster Zeit auch Russlands sind "post-peak", d. h. deren Förderung geht zurück. Hierin liegt die Hauptursache des steigenden Ölpreises.
6. Übersehen (willentlich?) wird ein weiteres Faktum: In allen erdölproduzierenden Ländern steigt der Eigenbedarf nach Öl. So bleibt bei mühsam aufrechterhaltener Fördermenge immer weniger zum Export über. Folge: Trotz drastisch gestiegenen Ölpreises ging 2007 der globale Ölexport um 2,5% zurück.
7. In Österreich gibt es ca. 500 Fahrzeuge je 1000 Einwohner. In China derzeit knapp mehr als 20. Hunderte Millionen Menschen wollen und werden sich in den nächsten Jahren ein Auto kaufen. Der indische Konzern TATA bringt demnächst ein Auto auf den Markt, das ab Werk 1700 Euro kostet. Das wird die Nachfrage nach Öl noch weiter beschleunigen.
Und aus all den genannten Deswegen wird mittelfristig auch der Ölpreis weiter steigen. Statt vergeblich das Christkind und die Saudis anzubetteln gibt's nur eine rationale Strategie: runter mit dem Ölverbrauch, so schnell wie möglich. Um nur ein Beispiel zu nennen: Ein Auto, das weniger als 2 Liter / 100 km braucht, ist technisch längst machbar. Hier müsste die EU der Autoindustrie kluge Rahmenbedingungen geben. (Christoph Chorherr, DER STANDARD, Print-Ausgabe, 24.6.2008)
Darin spreche ich einmal mehr das "2-Liter-Auto" an.
Wie das aussehen könnte?
So.
Hier der Kommentar im Volltext:
Erhören sie unser Flehen, die Saudis? Diese Frage war Spitzenmeldung vor dem Wochenende. Und dann die große Erleichterung. Sie drücken auf den Knopf und erhöhen die Fördermenge.So wurde und wird berichtet. Österreichs bekannter Ölexperte Martin Bartenstein durfte am wundersamen Ölpreisgipfel von Dschidda teilnehmen und berichtete dann wiederholt in den Journalen im Radio: Ja, jetzt gebe es berechtigte Hoffnung, dass der Ölpreis wieder sinkt.
Dieses Wochenende zeigt vor allem eines: Wie billig sich Österreichs Mainstream-Wirtschaftsjournalimus von den Saudis abspeisen lässt. - Was nicht zu lesen, oder zu hören war:
1. Was meinen die Saudis, wenn sie die Fördermenge auf 12,5 Mio. Barrel erhöhen möchten. Meinen sie "crude", dann wäre das eine Sensation, denn aus "crude" kann man Benzin, Diesel etc. raffinieren. Oder meinen sie "liquids", das sind jene flüssigen Kuppelprodukte, die bei der Gasförderung anfallen, die gut für die chemische Industrie geeignet sind, aber Benzin kann man sehr schwer daraus machen. Die Differenz zwischen diesen beiden Sorten beträgt immerhin 2 Mio. Fass.
2. Warum schaut kaum jemand ins Archiv? Derartige Beschwichtigungskonferenzen gab's in den letzten Jahren immer wieder. Strickmuster: Saudis geben sich besorgt und versprechen verstärkte Förderung. Der Ölpreis müsse sinken. - Und was geschah?
3. Die Ölförderung (von "crude" wie von "liquids") der Saudis geht seit 2006 zurück. Erst in den letzten Monaten stieg sie wieder leicht an, liegt aber deutlich unter dem bisherigen Fördermaximum.
4. Die meisten der saudischen Ölfelder sind sehr alt. Das mit Abstand ergiebigste Feld Saudi-Arabiens, Ghawar, wurde 1948 entdeckt und liefert seitdem. Wenn dort der Fördergipfel erreicht ist, geht's steil bergab. Die Kernfrage lautet daher: Wollen die Saudis nicht, oder können sie nicht mehr?
5. Die Ölfelder der Nordsee, als auch Mexikos, sowieso der USA und seit jüngster Zeit auch Russlands sind "post-peak", d. h. deren Förderung geht zurück. Hierin liegt die Hauptursache des steigenden Ölpreises.
6. Übersehen (willentlich?) wird ein weiteres Faktum: In allen erdölproduzierenden Ländern steigt der Eigenbedarf nach Öl. So bleibt bei mühsam aufrechterhaltener Fördermenge immer weniger zum Export über. Folge: Trotz drastisch gestiegenen Ölpreises ging 2007 der globale Ölexport um 2,5% zurück.
7. In Österreich gibt es ca. 500 Fahrzeuge je 1000 Einwohner. In China derzeit knapp mehr als 20. Hunderte Millionen Menschen wollen und werden sich in den nächsten Jahren ein Auto kaufen. Der indische Konzern TATA bringt demnächst ein Auto auf den Markt, das ab Werk 1700 Euro kostet. Das wird die Nachfrage nach Öl noch weiter beschleunigen.
Und aus all den genannten Deswegen wird mittelfristig auch der Ölpreis weiter steigen. Statt vergeblich das Christkind und die Saudis anzubetteln gibt's nur eine rationale Strategie: runter mit dem Ölverbrauch, so schnell wie möglich. Um nur ein Beispiel zu nennen: Ein Auto, das weniger als 2 Liter / 100 km braucht, ist technisch längst machbar. Hier müsste die EU der Autoindustrie kluge Rahmenbedingungen geben. (Christoph Chorherr, DER STANDARD, Print-Ausgabe, 24.6.2008)
Wenn dein Text Permanenz haben soll, würde ich ihn hier reinkopieren: Der Online-Standard verfrachtet seine Artikel ja clevererweise nach ein paar Monaten ins kostenpflichtige Archiv.
;-)