Die europäische Flüchlingskrise. Ein konkreter Vorschlag
von cc am 02.09.2015
Vor knapp einem Jahr habe ich hier auf diesem Blog ausführlich eine Vision skizziert: Flüchtlinge, Europa und eine Idee
Heute möchte ich eine konkrete politische Strategie vorschlagen. Das geht, ich ersuche um Verständnis, nicht in einigen wenigen Zeilen.
Dazu einige mir notwendige Vorbemerkungen:
Die Flüchtlingsströme, die Zustände in Traiskirchen, die Tragödien im Mittelmeer, die unhaltbaren Zustände auf griechischen Inseln, all das stellt die europäischen Staaten und seine Bevölkerung vor wirklich gewaltige Herausforderungen.
Es wird zunehmend klar, dass dies Europa noch sehr lange beschäftigen wird, Europa verändern wird, und vor allem: die politischen Verwerfungen in Syrien, Afghanistan oder dem Irak , aber ebenso in einigen afrikanischen Staaten gehen uns unmittelbar etwas an.
Wenn in zerfallenden Gesellschaften Krieg, Zerstörung, Armut und Elend herrschen, haben sich in in der gesamten Menschheitsgeschichte Männer, Frauen und Kinder auf den Weg dorthin gemacht, wo sie Frieden, Arbeit und Sicherheit vermuten.
"Globalisierung" heisst eben nicht nur Waren- und Geldverkehr über Grenzen hinweg, sondern auch Bewegungen der Menschen.
Die aktuellen Flüchtlingsströme in unsere vergleichsweisen reichen Länder wird also noch lange weitergehen.
Was also tun?
Bewusst möchte ich diese Gedanken hier nicht bebildern. Ich bin einer von ganz vielen, die von den Bildern aus Traiskirchen, derzeit von wartenden, verzweifelten Menschen am Budapester Bahnhof, von Menschen, die ihre weinenden Kinder unter Stacheldrähten durchschieben empört, entsetzt und wütend sind.
Diese Emotion soll, muss Motivation sein, aber eine politische Strategie bedarf, will sie erfolgreich sein, auch einer nüchternen Betrachtung der Umsetzung.
Die grosse Illusion: Die europäische Lösung
Theoretisch wärs doch ganz einfach.
Würden alle europäischen Länder auch nur halb soviele Menschen Asyl gewähren, wie Österreich, Deutschland oder Ungarn, gäbe es also eine grosse europäische Einigung, wäre die schrecklichen Bilder rasch Geschichte.
Das kann und muss man fordern, jedoch:
Hätti-Wari
Wie schwer so eine europäische Quotenlösung ist zeigt sich im Kleinen in Österreich. Weit mehr als die Hälfte der österr. Gemeinden hat bis heute keinen einzigen Flüchtling. Es bedurfte einer Änderung der Bundesverfassung, um ein Durchgriffsrecht zu schaffen.Wie es funktioniert, werden wir erst sehen.
Jedoch: Österreich ist ein Staat, der so etwas durchsetzen kann. Vergleichbares ist derzeit in der EU rechtlich nicht möglich, und freiwillig (leider) kaum zu erwarten.
Kluge Politik weiß das, und findet trotzdem einen Weg.
Um diesen Weg zu skizzieren, möchte ich in ein anderes Politikfeld wechseln, das ebenso gewichtig, drängend und schwer lösbar scheint.
Der Klimaschutz. Wenn jüngst Präsident Obama eine (von der Kohlewirtschaft wie den Republikanern heftig bekämpfte) für US-Standards mutige Politik vorgestellt hat, dann v.a. deswegen, weil etliche Bundesstaaten vorausgegangen sind und diese Politik längst umsetzen.
Einigungen auf höchster Ebene sind dann und nur dann möglich, wenn einzelne vorpreschen, zeigen, daß diese Wege erfolgreich sind. Diese ermutigen, schaffen Öffentlichkeit und vor allem: schaffen Voraussetzungen für neue Möglichkeiten.
Genau darum geht es in meinem Vorschlag:
Eröffnung von Möglichkeiten.
Nur eine europäische Lösung zu verlangen, heisst: Genau diese zu verhindern.
Kluge Politik fordert in einer verfahrenen, aussichtslos erscheinenden Situation nicht das Unmögliche, sondern einen vielleicht kleinen Hebel, der umsetzbar ist, der aber ganz neue Wege aufzeigt, andere zum Nachahmen bringt, und so das Tor aufmacht für neue Möglichkeiten.
Jetzt zum Kern des Vorschlags.
Dieser beinhaltet drei konkrete Massnahmen.
1.) Ich bin mit vielen, und sogar mit unserer Innenministerin einer Meinung, daß nur eine Maßnahme dem teils tödlichen Geschäft der Schlepper ihre Grundlage entzieht: Eine legale Möglichkeit, in einem EU-Land Asyl zu beantragen.
Kein Zaun, keine Grenzsicherung (bitte wie, bei hunderten griechischen Inseln, um nur ein Beispiel zu nennen?) wird verzweifelte Menschen aus Kriegsgebieten abhalten, sich auf eine gefährliche, schwierige, tausende Kilomater lange Reise zu machen.
Ausser: Es gibt einen anderen Weg.
Deswegen müssen wir nicht über Grenzzäune in der EU sprechen, sondern darüber, wie ein machbarere, von breiten Bevölkerungsgruppen bei uns akzeptierter Weg der legalen Asylantragsstellung aussieht.
Nach langem Nachdenken so:
Nicht in eigenen "Auffanglagern" in Griechenland oder Italien, sondern möglichst nahe an den Krisengebieten, sollten einzelne Länder Konsulate eröffnen.
Dort, wo heute Hunderttausende Flüchtlinge bereits sind:
Im kurdischen Nordirak, in Jordanien, im Libanon, in der Türkei.
Österreich könnte, sollte das tun.
Ich höre schon den (verständlichen) Einwand: "Aber dort sind ja Hunderttausende"
Das stimmt, und darauf muß eine Antwort gegeben werden, siehe oben meine Ausführungen zu "machbarer Politik"
Zu Beginn sollte die Anzahl der vor Ort gegebenen Asylanträge klar mengenmässig begrenzt werden, und auch öffentlich kommuniziert werden.
Um eine konkrete Zahl zu nennen: 5000 im ersten Jahr. ( Das wären deutlich weniger als 10% der Asylwerber, die auch Mikl Leitner als "integrierbar " bezeichnet)
Denn irgendeine breiter Akzeptanz ist in Österreich, wie in vielen Ländern nur erzielbar, wenn eine berechtigte Frage beantwortet wird: Wieviele können wir aufnehmen?
Weitere Einwand gegen diese Konsulatlösung: Wie soll dort ausgewählt werden? Viel, viel mehr als 5000 Menschen würden das versuchen wollen.
Hier gibt's keine leichte Antwort, aber es gibt einige: In Zusammenarbeit mit den Verwaltungen der Flüchtlingslager oder der lokalen Stadtverwaltungen könnten erste kurze Registrierungen erfolgen, und selbst eine darauffolgende Verlosung (wie bei der US-greencard) ist hier denkbar. Nein, das ist keine optimale, gerechte Lösung, aber die gibt es auch nicht!
Es geht um einen Hebel für eine neue Weg.
Denn wenn Österreich 5000 Menschen vor Ort Asyl gewährte und andere Länder folgen würden, wären das (umgelegt auf die Bevölkerung) bei Deutschland 50 000, bei Frankreich 40 000 Menschen, also durchaus relevante Zahlen.
Und dann würden sich viele Flüchtlinge, so meine These, die Frage stellen: In Jordanien, in der Türkei, im Libanon, im Nordirak, in Städten oder Lagern, wo man zumindest sicher ist auf eine derartige Chance zu warten, vielleicht ein paar Monate, oder auch Jahre, oder eine lebensgefährliche Flucht mit unsicherem Ausgang beginnen.
Und jetzt kommen wieder die Bilder und ihre nicht zu unterschätzende Macht ins Spiel:
Hunderte Busse/Züge/Fähren/Flugzeuge bringen Menschen direkt aus der Region in Sicherheit: Diese Bilder in Zeitungen, im Fernsehn, via Internet schaffen Stimmungen.
Diese Maßnahme, so bescheiden sie auch beginnt, könnte den Schleppern wirklich ihr brutales Geschäft entziehen.
Manche meiner grünen Freund/innen mögen einwenden, 5000 für Österreich sei ja viel zuwenig.
Ich halte dem entgegen, daß damit eine große Veränderung ermöglicht wird, womit ich zu einem weiteren Schritt komme.
Wenn erste Länder (Deutschland, Österreich, Frankreich) diesen Weg gehen, hat die EU vielleicht die Chance, andere Anreize zu setzen.
Flüchtlinge sind, betreibt man eine kluge Integrationspolitik, mittelfristig eine wirtschaftliche und kulturelle Bereicherung eines Landes. Kurzfristig jedoch nicht: Zusätzlicher Wohnraum, Druck auf Schulen, Vermitteln von Sprachkenntnissen, das kostet öffentliche Mittel. Und das in Zeiten knapper Budgets und steigender Arbeitslosenzahlen.
Es ist recht und billig, dafür jenen Ländern (und Gemeinden!), finanzielle Unterstützung zu gewähren. Ein neuer innereuropäischer Finanzausgleich. Länder, die vergleichsweise mehr Flüchtlinge aufnehmen, erhalten Unterstützung, jene, die es aus einer Reihe von Gründen nicht tun, leisten dafür zumindest Zahlungen. Hierfür liessen sich, auch wenn es schwer ist, vielleicht Mehrheiten schaffen.
2.) Nahezu alle, selbst die FPÖ, sprechen davon, dass vor Ort geholfen werden soll. Vor Ort, das heisst vor allem: Hunderttausenden Flüchtlinge in Jordanien, im Libanon, im kurdisch verwalteten Nordirak, in der Türkei.
Es geschieht aber genau das Gegenteil: Die ohnehin geringen Hilfsmittel für diese Flüchtlinge werden (v.a. in Jordanien) gekürzt. Hier ist die europäische Politik, auch Österreich grausam und zynisch. Ich bin mir sicher, es gibt breite Unterstützung dafür, Menschen in den regionalen Flüchtlingslagern angemessen zu helfen. Der Zusammenhang liegt ja auf der Hand: Je schlechter die Lebenssituation dort, desto höher der Antrieb sich Richtung EU in Bewegung zu setzen.
Der obige "Konsulatsvorschlag" hätte auch noch eine hilfreiche Konsequenz: Es würde auch bei uns mehr über die Lebensbedingungen in diesen Flüchtlingsregionen berichtet werden. Es könnte bei uns das Gefühl verstärken, dass es dort eine europäische Verantwortung gibt. Und ja, im eigenen Interesse. Unsere Zukunft hängt mit dieser Region untrennbar zusammen.
3.) Menschen fliehen dorthin, wo sie für sich und ihre Kinder Sicherheit, Arbeit und Bildung finden. Hier habe ich mit meinem letzen Beitrag angesetzt. Ein Großteil der neuen Flüchtlingslager sind Keimzellen für Stadtgründungen. Als solche sollten sie auch betrachtet werden. Auch politisch. Solange (z.B. im Libanon) Flüchtlingen, auch wenn sie dort schon viele Jahre leben, keine Arbeitsbewilligung erhalten, werden sie nicht Wurzeln schlagen können. Das ist eine große mittel-bis langfristige Aufgabe der EU, und ich präzisiere, auch europäischer Städte. Letztere wissen, wie man eine effiziente Müllversorgung aufbaut (siehe jüngste Krise in Beirut).
Diese Länder brauchen Konzepte für Wohnungs- und Schulbau, Kanal- und Wasserversorgung, Müllentsorgung und und. Irgendwie ist die Situation mit unseren kerneuropäischen Ländern in den 50er bis 70er Jahren vergleichbar: Aufbauzeit!
Städte wie Wien können hier eine Schlüsselrolle spielen, einen geeigneten politischen Rahmen vorausgesetzt. Dieser soll anknüpfen an eine alte, niemals realisierte Idee des von mir sonst nicht sehr geschätzten Ex Präsidenten Frankreichs Sarkozy, die Mittelmeerunion. Nein, es geht natürlich nicht um den EU-Beitritt dieser Länder. Aber eine enge wirtschaftliche, politische und kulturelle Zusammenarbeit, und auch beträchtliche finanzielle Transfers in diese Länder.
Eines muss uns Europäern klar sein: Eine sichere, stabile Zukunft innerhalb unserer EU kann es nur geben, wenn es mittel- bis langfristig zu einer gedeihlichen Entwicklung in unseren südöstlichen Nachbarländern kommt.
Entweder der Reichtum kommt zu den Armen, oder die Armen kommen zu Reichtum.
Eine gewaltige, anspruchsvolle Aufgabe. Aber braucht die EU nicht gerade das?
Heute möchte ich eine konkrete politische Strategie vorschlagen. Das geht, ich ersuche um Verständnis, nicht in einigen wenigen Zeilen.
Dazu einige mir notwendige Vorbemerkungen:
Die Flüchtlingsströme, die Zustände in Traiskirchen, die Tragödien im Mittelmeer, die unhaltbaren Zustände auf griechischen Inseln, all das stellt die europäischen Staaten und seine Bevölkerung vor wirklich gewaltige Herausforderungen.
Es wird zunehmend klar, dass dies Europa noch sehr lange beschäftigen wird, Europa verändern wird, und vor allem: die politischen Verwerfungen in Syrien, Afghanistan oder dem Irak , aber ebenso in einigen afrikanischen Staaten gehen uns unmittelbar etwas an.
Wenn in zerfallenden Gesellschaften Krieg, Zerstörung, Armut und Elend herrschen, haben sich in in der gesamten Menschheitsgeschichte Männer, Frauen und Kinder auf den Weg dorthin gemacht, wo sie Frieden, Arbeit und Sicherheit vermuten.
"Globalisierung" heisst eben nicht nur Waren- und Geldverkehr über Grenzen hinweg, sondern auch Bewegungen der Menschen.
Die aktuellen Flüchtlingsströme in unsere vergleichsweisen reichen Länder wird also noch lange weitergehen.
Was also tun?
Bewusst möchte ich diese Gedanken hier nicht bebildern. Ich bin einer von ganz vielen, die von den Bildern aus Traiskirchen, derzeit von wartenden, verzweifelten Menschen am Budapester Bahnhof, von Menschen, die ihre weinenden Kinder unter Stacheldrähten durchschieben empört, entsetzt und wütend sind.
Diese Emotion soll, muss Motivation sein, aber eine politische Strategie bedarf, will sie erfolgreich sein, auch einer nüchternen Betrachtung der Umsetzung.
Die grosse Illusion: Die europäische Lösung
Theoretisch wärs doch ganz einfach.
Würden alle europäischen Länder auch nur halb soviele Menschen Asyl gewähren, wie Österreich, Deutschland oder Ungarn, gäbe es also eine grosse europäische Einigung, wäre die schrecklichen Bilder rasch Geschichte.
Das kann und muss man fordern, jedoch:
Hätti-Wari
Wie schwer so eine europäische Quotenlösung ist zeigt sich im Kleinen in Österreich. Weit mehr als die Hälfte der österr. Gemeinden hat bis heute keinen einzigen Flüchtling. Es bedurfte einer Änderung der Bundesverfassung, um ein Durchgriffsrecht zu schaffen.Wie es funktioniert, werden wir erst sehen.
Jedoch: Österreich ist ein Staat, der so etwas durchsetzen kann. Vergleichbares ist derzeit in der EU rechtlich nicht möglich, und freiwillig (leider) kaum zu erwarten.
Kluge Politik weiß das, und findet trotzdem einen Weg.
Um diesen Weg zu skizzieren, möchte ich in ein anderes Politikfeld wechseln, das ebenso gewichtig, drängend und schwer lösbar scheint.
Der Klimaschutz. Wenn jüngst Präsident Obama eine (von der Kohlewirtschaft wie den Republikanern heftig bekämpfte) für US-Standards mutige Politik vorgestellt hat, dann v.a. deswegen, weil etliche Bundesstaaten vorausgegangen sind und diese Politik längst umsetzen.
Einigungen auf höchster Ebene sind dann und nur dann möglich, wenn einzelne vorpreschen, zeigen, daß diese Wege erfolgreich sind. Diese ermutigen, schaffen Öffentlichkeit und vor allem: schaffen Voraussetzungen für neue Möglichkeiten.
Genau darum geht es in meinem Vorschlag:
Eröffnung von Möglichkeiten.
Nur eine europäische Lösung zu verlangen, heisst: Genau diese zu verhindern.
Kluge Politik fordert in einer verfahrenen, aussichtslos erscheinenden Situation nicht das Unmögliche, sondern einen vielleicht kleinen Hebel, der umsetzbar ist, der aber ganz neue Wege aufzeigt, andere zum Nachahmen bringt, und so das Tor aufmacht für neue Möglichkeiten.
Jetzt zum Kern des Vorschlags.
Dieser beinhaltet drei konkrete Massnahmen.
1.) Ich bin mit vielen, und sogar mit unserer Innenministerin einer Meinung, daß nur eine Maßnahme dem teils tödlichen Geschäft der Schlepper ihre Grundlage entzieht: Eine legale Möglichkeit, in einem EU-Land Asyl zu beantragen.
Kein Zaun, keine Grenzsicherung (bitte wie, bei hunderten griechischen Inseln, um nur ein Beispiel zu nennen?) wird verzweifelte Menschen aus Kriegsgebieten abhalten, sich auf eine gefährliche, schwierige, tausende Kilomater lange Reise zu machen.
Ausser: Es gibt einen anderen Weg.
Deswegen müssen wir nicht über Grenzzäune in der EU sprechen, sondern darüber, wie ein machbarere, von breiten Bevölkerungsgruppen bei uns akzeptierter Weg der legalen Asylantragsstellung aussieht.
Nach langem Nachdenken so:
Nicht in eigenen "Auffanglagern" in Griechenland oder Italien, sondern möglichst nahe an den Krisengebieten, sollten einzelne Länder Konsulate eröffnen.
Dort, wo heute Hunderttausende Flüchtlinge bereits sind:
Im kurdischen Nordirak, in Jordanien, im Libanon, in der Türkei.
Österreich könnte, sollte das tun.
Ich höre schon den (verständlichen) Einwand: "Aber dort sind ja Hunderttausende"
Das stimmt, und darauf muß eine Antwort gegeben werden, siehe oben meine Ausführungen zu "machbarer Politik"
Zu Beginn sollte die Anzahl der vor Ort gegebenen Asylanträge klar mengenmässig begrenzt werden, und auch öffentlich kommuniziert werden.
Um eine konkrete Zahl zu nennen: 5000 im ersten Jahr. ( Das wären deutlich weniger als 10% der Asylwerber, die auch Mikl Leitner als "integrierbar " bezeichnet)
Denn irgendeine breiter Akzeptanz ist in Österreich, wie in vielen Ländern nur erzielbar, wenn eine berechtigte Frage beantwortet wird: Wieviele können wir aufnehmen?
Weitere Einwand gegen diese Konsulatlösung: Wie soll dort ausgewählt werden? Viel, viel mehr als 5000 Menschen würden das versuchen wollen.
Hier gibt's keine leichte Antwort, aber es gibt einige: In Zusammenarbeit mit den Verwaltungen der Flüchtlingslager oder der lokalen Stadtverwaltungen könnten erste kurze Registrierungen erfolgen, und selbst eine darauffolgende Verlosung (wie bei der US-greencard) ist hier denkbar. Nein, das ist keine optimale, gerechte Lösung, aber die gibt es auch nicht!
Es geht um einen Hebel für eine neue Weg.
Denn wenn Österreich 5000 Menschen vor Ort Asyl gewährte und andere Länder folgen würden, wären das (umgelegt auf die Bevölkerung) bei Deutschland 50 000, bei Frankreich 40 000 Menschen, also durchaus relevante Zahlen.
Und dann würden sich viele Flüchtlinge, so meine These, die Frage stellen: In Jordanien, in der Türkei, im Libanon, im Nordirak, in Städten oder Lagern, wo man zumindest sicher ist auf eine derartige Chance zu warten, vielleicht ein paar Monate, oder auch Jahre, oder eine lebensgefährliche Flucht mit unsicherem Ausgang beginnen.
Und jetzt kommen wieder die Bilder und ihre nicht zu unterschätzende Macht ins Spiel:
Hunderte Busse/Züge/Fähren/Flugzeuge bringen Menschen direkt aus der Region in Sicherheit: Diese Bilder in Zeitungen, im Fernsehn, via Internet schaffen Stimmungen.
Diese Maßnahme, so bescheiden sie auch beginnt, könnte den Schleppern wirklich ihr brutales Geschäft entziehen.
Manche meiner grünen Freund/innen mögen einwenden, 5000 für Österreich sei ja viel zuwenig.
Ich halte dem entgegen, daß damit eine große Veränderung ermöglicht wird, womit ich zu einem weiteren Schritt komme.
Wenn erste Länder (Deutschland, Österreich, Frankreich) diesen Weg gehen, hat die EU vielleicht die Chance, andere Anreize zu setzen.
Flüchtlinge sind, betreibt man eine kluge Integrationspolitik, mittelfristig eine wirtschaftliche und kulturelle Bereicherung eines Landes. Kurzfristig jedoch nicht: Zusätzlicher Wohnraum, Druck auf Schulen, Vermitteln von Sprachkenntnissen, das kostet öffentliche Mittel. Und das in Zeiten knapper Budgets und steigender Arbeitslosenzahlen.
Es ist recht und billig, dafür jenen Ländern (und Gemeinden!), finanzielle Unterstützung zu gewähren. Ein neuer innereuropäischer Finanzausgleich. Länder, die vergleichsweise mehr Flüchtlinge aufnehmen, erhalten Unterstützung, jene, die es aus einer Reihe von Gründen nicht tun, leisten dafür zumindest Zahlungen. Hierfür liessen sich, auch wenn es schwer ist, vielleicht Mehrheiten schaffen.
2.) Nahezu alle, selbst die FPÖ, sprechen davon, dass vor Ort geholfen werden soll. Vor Ort, das heisst vor allem: Hunderttausenden Flüchtlinge in Jordanien, im Libanon, im kurdisch verwalteten Nordirak, in der Türkei.
Es geschieht aber genau das Gegenteil: Die ohnehin geringen Hilfsmittel für diese Flüchtlinge werden (v.a. in Jordanien) gekürzt. Hier ist die europäische Politik, auch Österreich grausam und zynisch. Ich bin mir sicher, es gibt breite Unterstützung dafür, Menschen in den regionalen Flüchtlingslagern angemessen zu helfen. Der Zusammenhang liegt ja auf der Hand: Je schlechter die Lebenssituation dort, desto höher der Antrieb sich Richtung EU in Bewegung zu setzen.
Der obige "Konsulatsvorschlag" hätte auch noch eine hilfreiche Konsequenz: Es würde auch bei uns mehr über die Lebensbedingungen in diesen Flüchtlingsregionen berichtet werden. Es könnte bei uns das Gefühl verstärken, dass es dort eine europäische Verantwortung gibt. Und ja, im eigenen Interesse. Unsere Zukunft hängt mit dieser Region untrennbar zusammen.
3.) Menschen fliehen dorthin, wo sie für sich und ihre Kinder Sicherheit, Arbeit und Bildung finden. Hier habe ich mit meinem letzen Beitrag angesetzt. Ein Großteil der neuen Flüchtlingslager sind Keimzellen für Stadtgründungen. Als solche sollten sie auch betrachtet werden. Auch politisch. Solange (z.B. im Libanon) Flüchtlingen, auch wenn sie dort schon viele Jahre leben, keine Arbeitsbewilligung erhalten, werden sie nicht Wurzeln schlagen können. Das ist eine große mittel-bis langfristige Aufgabe der EU, und ich präzisiere, auch europäischer Städte. Letztere wissen, wie man eine effiziente Müllversorgung aufbaut (siehe jüngste Krise in Beirut).
Diese Länder brauchen Konzepte für Wohnungs- und Schulbau, Kanal- und Wasserversorgung, Müllentsorgung und und. Irgendwie ist die Situation mit unseren kerneuropäischen Ländern in den 50er bis 70er Jahren vergleichbar: Aufbauzeit!
Städte wie Wien können hier eine Schlüsselrolle spielen, einen geeigneten politischen Rahmen vorausgesetzt. Dieser soll anknüpfen an eine alte, niemals realisierte Idee des von mir sonst nicht sehr geschätzten Ex Präsidenten Frankreichs Sarkozy, die Mittelmeerunion. Nein, es geht natürlich nicht um den EU-Beitritt dieser Länder. Aber eine enge wirtschaftliche, politische und kulturelle Zusammenarbeit, und auch beträchtliche finanzielle Transfers in diese Länder.
Eines muss uns Europäern klar sein: Eine sichere, stabile Zukunft innerhalb unserer EU kann es nur geben, wenn es mittel- bis langfristig zu einer gedeihlichen Entwicklung in unseren südöstlichen Nachbarländern kommt.
Entweder der Reichtum kommt zu den Armen, oder die Armen kommen zu Reichtum.
Eine gewaltige, anspruchsvolle Aufgabe. Aber braucht die EU nicht gerade das?
Bildung statt Zufall
Möglich wäre z.B. ein Deutschtest (nur schriftlich). Wer am Besten abschneidet darf zu uns.
Besser wäre es noch wenn das gelernte auch von nutzen wäre, wenn die Flüchtlinge bleiben müssen. Aufpassen muss man aber, dass man nicht nur einen Braindrain veranstaltet.