Meine erste Wahlanalyse
von cc am 29.09.2008
Auch, wenn man es kommen sieht, ists ein Schock, wenn es da ist:
Mein Wahltip (vom letzten Freitag) war:
Grüne 9,5%
BZÖ: über 10%
Geirrt hab ich mich bei der SPÖ, die hatte ich (Kronenbrainwash) stärker eingeschätzt.
Dieser Sonntag ist eine Wahlniederlage, ein Debakel; für uns ebenso wie für die Grossparteien.
Die Krise ist tief, und es ist eine Legitimitätskrise unsere Demokratie.
Bevor jetzt “möglichst rasch”, wie viele meinen, eine “stabile Regierung” gebildet wird, sollten wir den Mut haben, das Ausmass der Krise zu benennen.
Ich beginne mit uns Grünen.
Wenn ich nur ein Wort hätte, die Emotion sehr vieler unsere “Gerade Noch-oder Nicht Mehr-Wähler/innen” zu beschreiben, es würde heissen: Enttäuschung.
Machen wir uns nichts vor:
Viele, die uns diesmal gewählt haben, taten das ohne grosses Engagement, ohne politischer Leidenschaft, schlicht und einfach, weil: “was verdammt noch mal, soll ich sonst wählen”.
Der Glaube, dass eine Stimme für Grün wirksam etwas ändert in diesem Land, hatten diesmal wenige.
Enttäuschung.
Dieses Grundgefühl betraf aber nicht uns allein.
Es hat sich über viele Jahre tief in die politische Kultur hineingefressen.
Wenn sich Enttäuschung mit Wut paart, dann gewinnen v.a. jene, denen es gelingt, den Stimmzettel zu einer Abrechnung umzufunktionieren.
Gegen die da oben.
Gegen die Ausländer.
Gegen die EU.
Vielleicht ist sogar das Wort “gegen” falsch.
Kürzer ist noch “Nein”.
“So nicht!”
Die Gruppe jener, die vermitteln können, dass Politik Probleme zumindest teilweise lösen kann, Verbesserungen bringt, ist derzeit in Österreich extrem klein.
Woran das liegt?
Genau darüber sollten wir diskutieren, und ein paar grundlegende Fragen zulassen, auch wenn sie unangenehm sind, ja politisch wehtun.
Was mich gestern z.B. wirklich geärgert hat:
Da wird bei jenen Parteien, die massiv verloren haben, auch noch heftig geklatscht;
worüber bitte?
Um nur ja zu zeigen, dass man nichts kampiert hat.
Dass man eh wieder erster ist?(SPÖ)
Dass man gar nicht soviel verloren hat? (Grüne)
Den Applaus der VP Funktionäre kommentier ich jetzt nicht.
Ganz grundsätzlich zum Wahlkampf:
Wie soll soetwas wie Engagement fürs “Politische”, für die “Öffentliche Sache” entstehen, wenn im Jahre 2008, wo so viel, soviel Wesentliches, Grundsätzliches zu diskutuieren wäre, eine Frage alles andere überlagert:
“Soll die Mwst.auf Lebensmittel von 10% auf 5% gesenkt werden?”
Ich hab es schon im Wahlkampf kaum “derpackt”.
Eine andere politische Kultur.
Da müssen wir auch über Medien reden, und damit mein ich nicht nur die Kronenzeitung.
Wir haben es zumindest versucht, offenbar mit allzu untauglichen Mitteln, ein paar wenige Zukunftsfragen, die in sehr vielen Ländern im Zentrum der Politik stehen, in den Wahlkampf zu tragen:
Wir haben über Klimapolitik und Energiewende gesprochen, wir haben über reformierte Schulen und Unis gesprochen, um nur zwei Theman anzusprechen.
Ersters löste bei den meisten Journalisten Gähnen aus, samt Hinweis, das sein “ka Gschicht”, wie das so schön heisst, zweiters wurde auf “pro oder contra Studiengebühren” reduziert.
Viele gerade engagiertere, gebildete Menschen erwarten keine einfachen Antworten, platte Slogans, sie sind einer differenzierten Argumentation zugänglich.
Gerade diese wenden sich dann ab, wenn sie sehen, welche simplen Angebote ihnen angeboten werden.
Und nochmals Medien:
Wenn Wahlkampf zum Boxkampf wird, und die Erwartung vorherrscht, dass Politik vornehmlich unterhalten muss, bekommt man exakt das, was man jetzt beklagt.
Mein Eindruck ist völlig anders.
Nicht nur hier auf diesem blog, dessen Leserzahlen deutlich gestiegen sind (ein ziemlich schwacher Trost), sondern auch bei den vielen Schuldiskussionen, an denen ich immer gerne teilnahm, eines zeigte sich immer:
Politik interessiert.
Der Watschentanz nach dem Motto, Politiker A haut Politiker B in die Gosch´n`schreckt ab.
Gespräche über Politik faszinieren, Kontroversen werden gerne ausgetragen, 16, 17 jährige beteiligten sich zwei Stunden und mehr aufmerksamst an einem politischen Gespräch.
Warum nicht öfter, wurden häufig Lehrer gefragt.
Ja, genau!
Warum nicht öfter Raum und Zeit für politische Debatten, statt fernsehgerechte Inszenierungen, die das genaue Gegenteil von Politik sind.
Ein letztes Mal (für heute) Medien:
Leitartikel und Kommentare fast aller Medien gefallen sich darin, “die Politiker” in ihrer Gesamtheit als unfähig, machtgierig und überbezahlt darzustellen.
Michael Fleischhacker, Chefredakteur der Presse hat dieses schlichte Ressentiment in ein ganzes Buch verpackt: “Politikerbeschimpfung”, nennt er dieses Pamphlet.
Und dann beklagen eben diese, dass sich kaum interessante Menschen für den Berufsweg der Politik entscheiden.
Denn es ist in der Tat ein grosses Manko der Politik, dass zwischen den Funktionären & Mandatar/innen der Parteien auf der einen, und “dem Volk”, von dem das Recht laut Verfassung ausgeht, eine immer grössere Kluft besteht.
Bevor das jetzt noch länger wird:
Leisten wir uns eine Debatte über den Zustand unserer Demokratie.
Die steckt in einer Krise.
Jetzt ist ein paar Wochen Zeit.
Wir haben eine Bundesregierung (samt Bundeskanzler), die wird die nächsten Wochen schon keinen allzugrossen Schaden stiften.
Also:
Bitte jetzt nicht “rasch” eine “stabile Regierung auf breiter Basis”.
Eine Fortsetzung dessen, was uns hierher geführt hat.
Sonst haben FP/BZÖ das nächste Mal noch 10% mehr.
Es gibt ganz viele Möglichkeiten und Alternativen.(darüber in den nächsten Tagen mehr)
Die politische Debatte findet heute zum Glück nicht mehr ausschliesslich “in den Gremien” oder auf den Kommentarseiten jener Zeitungen statt, die gehörig Mitverantwortung darüber tragen, dass wir sind, wo wir sind.
Mein Wahltip (vom letzten Freitag) war:
Grüne 9,5%
BZÖ: über 10%
Geirrt hab ich mich bei der SPÖ, die hatte ich (Kronenbrainwash) stärker eingeschätzt.
Dieser Sonntag ist eine Wahlniederlage, ein Debakel; für uns ebenso wie für die Grossparteien.
Die Krise ist tief, und es ist eine Legitimitätskrise unsere Demokratie.
Bevor jetzt “möglichst rasch”, wie viele meinen, eine “stabile Regierung” gebildet wird, sollten wir den Mut haben, das Ausmass der Krise zu benennen.
Ich beginne mit uns Grünen.
Wenn ich nur ein Wort hätte, die Emotion sehr vieler unsere “Gerade Noch-oder Nicht Mehr-Wähler/innen” zu beschreiben, es würde heissen: Enttäuschung.
Machen wir uns nichts vor:
Viele, die uns diesmal gewählt haben, taten das ohne grosses Engagement, ohne politischer Leidenschaft, schlicht und einfach, weil: “was verdammt noch mal, soll ich sonst wählen”.
Der Glaube, dass eine Stimme für Grün wirksam etwas ändert in diesem Land, hatten diesmal wenige.
Enttäuschung.
Dieses Grundgefühl betraf aber nicht uns allein.
Es hat sich über viele Jahre tief in die politische Kultur hineingefressen.
Wenn sich Enttäuschung mit Wut paart, dann gewinnen v.a. jene, denen es gelingt, den Stimmzettel zu einer Abrechnung umzufunktionieren.
Gegen die da oben.
Gegen die Ausländer.
Gegen die EU.
Vielleicht ist sogar das Wort “gegen” falsch.
Kürzer ist noch “Nein”.
“So nicht!”
Die Gruppe jener, die vermitteln können, dass Politik Probleme zumindest teilweise lösen kann, Verbesserungen bringt, ist derzeit in Österreich extrem klein.
Woran das liegt?
Genau darüber sollten wir diskutieren, und ein paar grundlegende Fragen zulassen, auch wenn sie unangenehm sind, ja politisch wehtun.
Was mich gestern z.B. wirklich geärgert hat:
Da wird bei jenen Parteien, die massiv verloren haben, auch noch heftig geklatscht;
worüber bitte?
Um nur ja zu zeigen, dass man nichts kampiert hat.
Dass man eh wieder erster ist?(SPÖ)
Dass man gar nicht soviel verloren hat? (Grüne)
Den Applaus der VP Funktionäre kommentier ich jetzt nicht.
Ganz grundsätzlich zum Wahlkampf:
Wie soll soetwas wie Engagement fürs “Politische”, für die “Öffentliche Sache” entstehen, wenn im Jahre 2008, wo so viel, soviel Wesentliches, Grundsätzliches zu diskutuieren wäre, eine Frage alles andere überlagert:
“Soll die Mwst.auf Lebensmittel von 10% auf 5% gesenkt werden?”
Ich hab es schon im Wahlkampf kaum “derpackt”.
Eine andere politische Kultur.
Da müssen wir auch über Medien reden, und damit mein ich nicht nur die Kronenzeitung.
Wir haben es zumindest versucht, offenbar mit allzu untauglichen Mitteln, ein paar wenige Zukunftsfragen, die in sehr vielen Ländern im Zentrum der Politik stehen, in den Wahlkampf zu tragen:
Wir haben über Klimapolitik und Energiewende gesprochen, wir haben über reformierte Schulen und Unis gesprochen, um nur zwei Theman anzusprechen.
Ersters löste bei den meisten Journalisten Gähnen aus, samt Hinweis, das sein “ka Gschicht”, wie das so schön heisst, zweiters wurde auf “pro oder contra Studiengebühren” reduziert.
Viele gerade engagiertere, gebildete Menschen erwarten keine einfachen Antworten, platte Slogans, sie sind einer differenzierten Argumentation zugänglich.
Gerade diese wenden sich dann ab, wenn sie sehen, welche simplen Angebote ihnen angeboten werden.
Und nochmals Medien:
Wenn Wahlkampf zum Boxkampf wird, und die Erwartung vorherrscht, dass Politik vornehmlich unterhalten muss, bekommt man exakt das, was man jetzt beklagt.
Mein Eindruck ist völlig anders.
Nicht nur hier auf diesem blog, dessen Leserzahlen deutlich gestiegen sind (ein ziemlich schwacher Trost), sondern auch bei den vielen Schuldiskussionen, an denen ich immer gerne teilnahm, eines zeigte sich immer:
Politik interessiert.
Der Watschentanz nach dem Motto, Politiker A haut Politiker B in die Gosch´n`schreckt ab.
Gespräche über Politik faszinieren, Kontroversen werden gerne ausgetragen, 16, 17 jährige beteiligten sich zwei Stunden und mehr aufmerksamst an einem politischen Gespräch.
Warum nicht öfter, wurden häufig Lehrer gefragt.
Ja, genau!
Warum nicht öfter Raum und Zeit für politische Debatten, statt fernsehgerechte Inszenierungen, die das genaue Gegenteil von Politik sind.
Ein letztes Mal (für heute) Medien:
Leitartikel und Kommentare fast aller Medien gefallen sich darin, “die Politiker” in ihrer Gesamtheit als unfähig, machtgierig und überbezahlt darzustellen.
Michael Fleischhacker, Chefredakteur der Presse hat dieses schlichte Ressentiment in ein ganzes Buch verpackt: “Politikerbeschimpfung”, nennt er dieses Pamphlet.
Und dann beklagen eben diese, dass sich kaum interessante Menschen für den Berufsweg der Politik entscheiden.
Denn es ist in der Tat ein grosses Manko der Politik, dass zwischen den Funktionären & Mandatar/innen der Parteien auf der einen, und “dem Volk”, von dem das Recht laut Verfassung ausgeht, eine immer grössere Kluft besteht.
Bevor das jetzt noch länger wird:
Leisten wir uns eine Debatte über den Zustand unserer Demokratie.
Die steckt in einer Krise.
Jetzt ist ein paar Wochen Zeit.
Wir haben eine Bundesregierung (samt Bundeskanzler), die wird die nächsten Wochen schon keinen allzugrossen Schaden stiften.
Also:
Bitte jetzt nicht “rasch” eine “stabile Regierung auf breiter Basis”.
Eine Fortsetzung dessen, was uns hierher geführt hat.
Sonst haben FP/BZÖ das nächste Mal noch 10% mehr.
Es gibt ganz viele Möglichkeiten und Alternativen.(darüber in den nächsten Tagen mehr)
Die politische Debatte findet heute zum Glück nicht mehr ausschliesslich “in den Gremien” oder auf den Kommentarseiten jener Zeitungen statt, die gehörig Mitverantwortung darüber tragen, dass wir sind, wo wir sind.
Danke
danke, der Rausch des Kommentariats um ja wieder dieselbe Koalition zu haben wir bisher ist kurzsichtig und gefaehrlich.
Was Du meines Erachtens unterschaetzt ist, dass viele Buerger weder Zeit noch, ueber die Jahre, Geduld haben, sich viel um Politik zu kuemmern (das ist bei 16-jaehrigen einfacher). Das ist legitim, und eine wesentliche Daseinsberechtigung der repraesentativen Demokratie.
Das Problem ist, dass wenn ich dieses Mal Faymann, Leitl, oder auch van der Bellen oder Rosenkranz abwaehlen moechte, gibt es in unserer Demokratie dazu keine Moeglichkeit. Du kennst Grossbritannien oder die USA, wo immer wieder Minister oder Senatoren spektakulaer abgewaehlt werden (auch in sogenannten "sicheren" Wahlkreisen).
Solange das bei uns nicht geht, wird der Frust strukturell bleiben und steigen, da Politiker eine durch sich selbst geschuetzte Spezies bleiben werden, die wenige Konsequenzen fuer Ihre Taten erleben -- oder doch nur sehr indirekt.
LG
Veit