Radeln im Winter
von cc am 27.01.2009
weil es so in Wien selten ausschaut:

hab ich für den aktuellen falter einen Kommentar über Winterradeln verfasst.
(leider nicht digital verfügbar, drum hier im Volltext)
Wenn dieselbe Frage dutzende Male gestellt wird, dann lohnt es darüber nachzudenken.
Die rituelle Frage:”Du fährst wirklich auch im Winter mit dem Rad?”
Der unausgesprochene Unterton dazu: “Was bist Du eigetlich für ein schräger Vogel”?
Die rituelle ernst gemeinte Antwort:”Du fährst ja auch Schi im Winter, oder?” Zusatz: “Da zahlen viele Menschen sehr viel Geld, um sich bei wirklich klirrenden Temperaturen am Lift abzufrieren.”
Was ist also so abwegig, die Vorteile des Fahrrads das ganze Jahr, besonders aber im Winterhalbjahr zu nutzen?
Mobilität findet im Kopf statt, und ist von beträchtlichen Fehleinschätzungen geprägt.
Folgende Untersuchung ist legendär und kommt zu fast gleichlautenden Ergebnissen, egal in welcher Stadt der Welt sie durchgeführt wird: Fragt man regelmässige Autonutzer, wie lange sie für ihren täglich zurückgelegten Weg brauchen, geben sie im ehrliche Glauben eine deutlich kürzere Zeit an, als der gemessenen Realität entspricht. Fragt man ebendiese Autonutzer wie lange sie mit den öffentlichen Verkehrsmitteln brauchen würden, ist das Ergenis exakt konträr: Die angenommene Zeit wird deutlich überschätzt.
Gegen diese Barrieren im Kopf helfen keine “hard facts”, konkrete Ausbaumassnahmen, sondern nur Veränderungen der Einstellung.
Noch viel rätselhafter ist der weit verbreitete fixe Glauben, Radfahren im Winter sei unmöglich, weil, ja warum eigentlich?
Zu kalt?
Beim Bus oder bei der U6 zehn Minuten zu warten ist mit Sicherheit ungemütlicher, als am Rad zu sitzen.
Und wenn es draussen wirklich kalt ist, was motiviert dann Zehntausende, beinahe stundenlang vor Punschständen zu frieren, teure, übersüsste Getränke fragwürdiger Qualität zu trinken, statt sich in ein geheiztes Kaffeehaus zu setzen?
Warum frieren Sie beim Punschstand, aber Radfahren ist zu kalt?
Nächstes “Argument”: Aber der Schnee.
Wieoft liegt wirklich Schnee auf der Strasse? Es sind im “Winterhalbjahr” einige wenige Tage, die MA 48 versucht auch mit Heerscharen von Gerät- wie Mannschaft, diesen auch zu beseitigen, kaum liegt er auf der Strasse.
Erheben wir also leise unsere Stimme und singen ein Loblied auf das Fahrrad nicht dann, wenn alle Medien gleichgeschaltet Anfang April zur Eröffnung der Radsaison blasen, sondern jetzt, mitten in einem typischen Wiener Winter.
Das Rad ist eine der wenigen technischen Erfindungen des Menschen, welches die Natur übertrifft. Klein Landtier, keine Gazelle, sowieso keine Raubkatze bewegt sich derart energieeffizient, wie ein Radfahrer.Um es mit Zahlen zu illustrieren.Irgendwann, hoffentlich bald wird es Autos geben, die weniger als zwei Liter Sprit auf 100 km verbrauchen werden. Klingt heute noch nach Zukunftsmusik.
Und wir Radler? Wir brauchen umgerechnet 0,04 Liter auf 100 km, “Auftanken” ist Kultur pur, Florian Holzer beschreibt im Falter die schönsten Tankstellen.
Radlen ist wunderbar kommunikativ, und ermöglicht doch urbane Anonymität.
Erspät man aus einem Auto einen Bekannten, mit dem man gerne ein paar Worte gewechselt hätte, kann man höchstens hupen und winken.Mit dem Fahrrad bremsen wir einfach ab, und schieben, sofern uns danach ist, in ein kurzes Gespräch vetieft unser Vehikel am Gehsteig. Erblicken wir jedoch jemanden, mit dem wir ein Gespräch, aus welchem Grund auch immer vermeiden wollen, dann winken wir freundlich und fahren weiter.
Auch im Radler steckt der Spiesser, der Kleinbürger, der sich am Leid der vermeintlich “Reichen” labt.
Drum geb ich gern zu, dass es zu meinen kleinen Freuden zählt, oft, sehr oft an dicken, teuren Dienstwägen, die hinter einem Müllwagen oder sonst aus einem Grund im Stau stehen vorbeizufahren, und mit einem nur scheinbar freundlichen Lächeln Kontakt zu suchen.
Parkplätze sind kein Problem. Das liegt weniger daran, dass die Stadt Wien ausreichend Abstellbügel errichtet hat. Das Gegenteil ist der Fall. Für rund 800 000 Räder in Wien gibts derzeit weniger als 20 000 Abstellplätze, aber die Regulierungswut hat zu derart vielen Verkehrszeichen geführt, dass nahezu überall eines zur Verfügung steht.
Radverkehrszählungen zeigen, dass im Dezember oder Jänner rund ein Drittel jener Radler unterwegs ist, die dies auch im Sommer tun.
Mit Haube, Handschuhen und einer langen Unterhose bewaffnet, ists im Winter jedoch fast angenehmer als im Sommer, wo dem Schweiss durch die Hitze nur schwierig etwas entgegenzusetzen ist.
Auf die Räder, Urbanisten, nur die Kette müsst ihr öfters reinigen!

hab ich für den aktuellen falter einen Kommentar über Winterradeln verfasst.
(leider nicht digital verfügbar, drum hier im Volltext)
Wenn dieselbe Frage dutzende Male gestellt wird, dann lohnt es darüber nachzudenken.
Die rituelle Frage:”Du fährst wirklich auch im Winter mit dem Rad?”
Der unausgesprochene Unterton dazu: “Was bist Du eigetlich für ein schräger Vogel”?
Die rituelle ernst gemeinte Antwort:”Du fährst ja auch Schi im Winter, oder?” Zusatz: “Da zahlen viele Menschen sehr viel Geld, um sich bei wirklich klirrenden Temperaturen am Lift abzufrieren.”
Was ist also so abwegig, die Vorteile des Fahrrads das ganze Jahr, besonders aber im Winterhalbjahr zu nutzen?
Mobilität findet im Kopf statt, und ist von beträchtlichen Fehleinschätzungen geprägt.
Folgende Untersuchung ist legendär und kommt zu fast gleichlautenden Ergebnissen, egal in welcher Stadt der Welt sie durchgeführt wird: Fragt man regelmässige Autonutzer, wie lange sie für ihren täglich zurückgelegten Weg brauchen, geben sie im ehrliche Glauben eine deutlich kürzere Zeit an, als der gemessenen Realität entspricht. Fragt man ebendiese Autonutzer wie lange sie mit den öffentlichen Verkehrsmitteln brauchen würden, ist das Ergenis exakt konträr: Die angenommene Zeit wird deutlich überschätzt.
Gegen diese Barrieren im Kopf helfen keine “hard facts”, konkrete Ausbaumassnahmen, sondern nur Veränderungen der Einstellung.
Noch viel rätselhafter ist der weit verbreitete fixe Glauben, Radfahren im Winter sei unmöglich, weil, ja warum eigentlich?
Zu kalt?
Beim Bus oder bei der U6 zehn Minuten zu warten ist mit Sicherheit ungemütlicher, als am Rad zu sitzen.
Und wenn es draussen wirklich kalt ist, was motiviert dann Zehntausende, beinahe stundenlang vor Punschständen zu frieren, teure, übersüsste Getränke fragwürdiger Qualität zu trinken, statt sich in ein geheiztes Kaffeehaus zu setzen?
Warum frieren Sie beim Punschstand, aber Radfahren ist zu kalt?
Nächstes “Argument”: Aber der Schnee.
Wieoft liegt wirklich Schnee auf der Strasse? Es sind im “Winterhalbjahr” einige wenige Tage, die MA 48 versucht auch mit Heerscharen von Gerät- wie Mannschaft, diesen auch zu beseitigen, kaum liegt er auf der Strasse.
Erheben wir also leise unsere Stimme und singen ein Loblied auf das Fahrrad nicht dann, wenn alle Medien gleichgeschaltet Anfang April zur Eröffnung der Radsaison blasen, sondern jetzt, mitten in einem typischen Wiener Winter.
Das Rad ist eine der wenigen technischen Erfindungen des Menschen, welches die Natur übertrifft. Klein Landtier, keine Gazelle, sowieso keine Raubkatze bewegt sich derart energieeffizient, wie ein Radfahrer.Um es mit Zahlen zu illustrieren.Irgendwann, hoffentlich bald wird es Autos geben, die weniger als zwei Liter Sprit auf 100 km verbrauchen werden. Klingt heute noch nach Zukunftsmusik.
Und wir Radler? Wir brauchen umgerechnet 0,04 Liter auf 100 km, “Auftanken” ist Kultur pur, Florian Holzer beschreibt im Falter die schönsten Tankstellen.
Radlen ist wunderbar kommunikativ, und ermöglicht doch urbane Anonymität.
Erspät man aus einem Auto einen Bekannten, mit dem man gerne ein paar Worte gewechselt hätte, kann man höchstens hupen und winken.Mit dem Fahrrad bremsen wir einfach ab, und schieben, sofern uns danach ist, in ein kurzes Gespräch vetieft unser Vehikel am Gehsteig. Erblicken wir jedoch jemanden, mit dem wir ein Gespräch, aus welchem Grund auch immer vermeiden wollen, dann winken wir freundlich und fahren weiter.
Auch im Radler steckt der Spiesser, der Kleinbürger, der sich am Leid der vermeintlich “Reichen” labt.
Drum geb ich gern zu, dass es zu meinen kleinen Freuden zählt, oft, sehr oft an dicken, teuren Dienstwägen, die hinter einem Müllwagen oder sonst aus einem Grund im Stau stehen vorbeizufahren, und mit einem nur scheinbar freundlichen Lächeln Kontakt zu suchen.
Parkplätze sind kein Problem. Das liegt weniger daran, dass die Stadt Wien ausreichend Abstellbügel errichtet hat. Das Gegenteil ist der Fall. Für rund 800 000 Räder in Wien gibts derzeit weniger als 20 000 Abstellplätze, aber die Regulierungswut hat zu derart vielen Verkehrszeichen geführt, dass nahezu überall eines zur Verfügung steht.
Radverkehrszählungen zeigen, dass im Dezember oder Jänner rund ein Drittel jener Radler unterwegs ist, die dies auch im Sommer tun.
Mit Haube, Handschuhen und einer langen Unterhose bewaffnet, ists im Winter jedoch fast angenehmer als im Sommer, wo dem Schweiss durch die Hitze nur schwierig etwas entgegenzusetzen ist.
Auf die Räder, Urbanisten, nur die Kette müsst ihr öfters reinigen!
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ich denke, es fängt im bauch an. und zuerst den kopf anzusprechen, ist ein bisschen (die armen pellets in ihrem tollen büro-ofen ;) eine "energieverschendung". die alle, denen wir hier gleich unterstellen, wir radlfahrer wären in ihren augen schräge vögel (wir winterradler zumindest, zu denen ich mich nur bedingt zähl, aber dazu später), die alle werden wir nicht durch die diversen vorrechnungen "überzeugen". erfahren muss man es wohl, erspüren, draufkommen. dazu die kleine geschichte, wie ich, cityradler seit nun auch schon bald sieben jahren, "draufgekommen" bin, ich kann ja auch in den monaten mit "r" am radl unterwegs sein.
wenn ich nämlich handschuhe anzieh!
so einfach. und doch hat das sicher zwei jahre gedauert. mittlerweile fahre ich bis in den november hinein, lass den dezember und den jänner jedenfalls fahrradltechnisch links liegen und freue mich schon diebisch auf mein PCTU (personal city transport unit), das mir - gerade jetzt, wo ich dran denk - ungeheuer fehlt!
und im dezember und im jänner auch das auto (vornehmlich) in der garage zu lassen, dazu hat es auch eines kleinen wie feinen moments der sinnlichen erläuchtung gebraucht. verschlafen nämlich habe ich eines dezembermorgens 2006. zehn vor acht wars. und ein termin um acht. wie soll ich das noch schaffen, hab ich mir gedacht! der stau. der elendige stau am opernring. bis mir die erlösung kam: zu fuss! ich geh. zu fuss.
und tu das immer noch. in diesen monaten. neben dem rad, die ideale art der fortbewegung in der stadt. (mittlerweile kann ich ja keine fünf minuten mehr in einem stau (brrr) stehen. freitag abends, gut manchmal mittags, wenn ich die stadt verlass, hin zu kärntens grenze, hab ich dann auch viel mehr freude und fast ein bisserl genuss, hinterm volant zu sitzen. die halbe stund halt ich noch aus im auto. viel mehr muss ich nicht haben.)
und wenn wir jetzt noch schaffen, in diesem zusammenhang keinen zu "dicken, teuren dienstwägen" zu konstruieren und lediglich das radfahren als das darzustellen, was es ist, cooler, praktischer, effizienter, ..., ja dann, dann haben wir gewonnen. :)