Erwin Pröll im Elchtest
von cc am 19.11.2010
Das wollte ich schon lange schreiben.
erschienen im standard
Also gut: Versuchen wir Erwin Pröll ernst zu nehmen. Denn hinter dem von ihm heftig befeuerten Kompetenzstreit, ob nun der Bund oder neun mal die Bundesländer für Lehrer bzw. für Spitäler "Verantwortung" tragen sollen, steckt eine hochbrisante staatspolitische Grundsatzfrage. Braucht Österreich wirklich vier Verwaltungseinheiten, Gemeinden, Länder, Nationalstaat und die EU?
Das Verantwortungs- und Finanzierungschaos vieler Staatsaufgaben findet seine Ursache in einem völlig irrationalen Gemisch dieser Gebietskörperschaften. Hier versickert enorm viel Geld, Reformen werden blockiert, ein System führt sich ad absurdum.
Unstrittig ist die Bedeutung der kommunalen Ebene, die Gemeinde, dort wo Menschen unmittelbar leben. Ebenso unstrittig ist die europäische Ebene. Nur hier können Finanzmärkte reguliert und die Autoindustrie zu strengen Abgasnormen gezwungen werden.
Aber was soll dazwischen liegen? Sind ganz grundsätzlich die neun Bundesländer zu stärken, und deswegen die nationalstaatliche Ebene zu schwächen (das steckt wohl hinter Erwin Prölls Ausbrüchen) oder soll von Spital bis Bildung, von Baunormen bis zum Jugendschutz der Bund gestärkt, und die Macht der Bundesländer "abgespeckt" werden?
Grober Klotz auf groben Keil
Spitals- wie Bildungsexperten haben jüngst diese Frage eindeutig beantwortet: Es wäre sinnlos, kontraproduktiv und teuer, das ohnehin kleine Österreich in neun von einander unabhängige Bildungs- und Spitalsregionen aufzuteilen. Diese Debatte sei aber hier nicht weiter vertieft, sondern ein anderer Weg gegangen. - Erwin Pröll teilt gelegentlich heftig aus. Und auf einen groben Klotz gehört bisweilen ein grober Keil.
Wohlan:
Wenn er schon meint, die Bundesländer - er meint natürlich "sein" Niederösterreich, beziehungsweise sich selbst - wären am besten geeignet, so komplexe Themen wie Gesundheit und Bildung zu gestalten, dann muss er ertragen, dass ein Politikbereich untersucht wird, für den er ganz alleine die Verantwortung trägt.
Das Praktische daran: Für diesen, leider völlig unterschätzen, Politikbereich bedarf es keiner komplizierten Strukturanalysen; es reicht ein halbwegs intaktes Sehvermögen.
In diesem Sinne: Machen wir eine kleine Fahrt durch Erwin Prölls Reich, und betrachten die Segnungen der niederösterreichischen Raumplanung.
Beginnen wir in Städten wie zum Beispiel Horn oder in Zwettl. Das Ergebnis niederösterreichisch verantworteter Raumplanung springt hier besonders brutal ins Auge. Rund um diese Städte wuchern Einkaufszentren, Möbelhäuser und ähnliche Einrichtungen, die die Ortskerne veröden lassen, die Menschen in die Autos zwingen und die von einer derart erlesenen Hässlichkeit und Uniformität sind, dass es einem den Atem raubt.
Fläche scheint es in Niederösterreich genug zu geben, denn da reiht sich ein Pennymarkt samt riesengroßem Parkplatz an einen Billa mit ebenso großen Stellflächen und nicht selten gesellt sich noch ein Hofer oder Spar dazu.
Die Anordnung dieser Kisten ist völlig beliebig, kein Fußgänger kommt auf die Idee, in diesem explosionsartig wachsenden Niemandsland spazieren zu gehen. Kein Schanigarten, untrügliches Zeichen gelungener Freiräume, wird dort jemals entstehen, die öffentlichen Räume sind Bewegungs- Flucht- und Parkraum für Autos, sonst gar nichts.
Autoritäre Grundströmung
Gespenstisch wird es am Abend oder an Wochenenden. Fahren wir weiter. Schauen wir uns die von fast ausschließlich schwarzen Genossenschaften errichteten mehrgeschoßigen Wohnbauten an. Sie sind meist ohne jede Verbindung zur Landschaft, zum Ortsverband oder auch zueinander, sind umsäumt von billigem Abstandsgrün und, einmal mehr, von ausufernden Abstellflächen für Autos umgeben. Qualitätsvolle Freiräume? Fehlanzeige. Architektur- oder städtebauliche Wettbewerbe? Mühsam erkämpfte Ausnahmen statt vom Land unterstütze Norm.
Einschub: Um mich hier nicht dem Vorwurf auszusetzen, wahllos VP-Landeshauptleute zu kritisieren, sei ausdrücklich auf die hoch stehende Baukultur von Vorarlberg verweisen. Ja, es ginge auch anders.
Aber ist Baukultur nicht ein Ausdruck gesellschaftlicher wie politischer Grundströmungen? Sagt die unsägliche Hässlichkeit des niederösterreichischen Häusergulasch, das sich aus der vom Land in keinster Weise gebremsten Bodenspekulation ergibt, nicht auch unglaublich viel über den autoritären Charakter der niederösterreichischen Politik aus?
Findet nicht beispielsweise eine niederösterreichische Medienpolitik, die jegliche Kritik ahndet und über Inserate Abhängigkeiten schafft, in eben dieser Bauunkultur ihre Entsprechung?
Raumplanung in Niederösterreich: Das ist ein wirtschaftliches, ökologisches und ästhetisches Desaster. Einer derartigen Politik soll Bildung und Schulen anvertraut werden? Nein danke. Statt dessen: Weg mit den Bundesländern! Dann hat Erwin Pröll wenigstens einen Grund zum Toben.
erschienen im standard
Also gut: Versuchen wir Erwin Pröll ernst zu nehmen. Denn hinter dem von ihm heftig befeuerten Kompetenzstreit, ob nun der Bund oder neun mal die Bundesländer für Lehrer bzw. für Spitäler "Verantwortung" tragen sollen, steckt eine hochbrisante staatspolitische Grundsatzfrage. Braucht Österreich wirklich vier Verwaltungseinheiten, Gemeinden, Länder, Nationalstaat und die EU?
Das Verantwortungs- und Finanzierungschaos vieler Staatsaufgaben findet seine Ursache in einem völlig irrationalen Gemisch dieser Gebietskörperschaften. Hier versickert enorm viel Geld, Reformen werden blockiert, ein System führt sich ad absurdum.
Unstrittig ist die Bedeutung der kommunalen Ebene, die Gemeinde, dort wo Menschen unmittelbar leben. Ebenso unstrittig ist die europäische Ebene. Nur hier können Finanzmärkte reguliert und die Autoindustrie zu strengen Abgasnormen gezwungen werden.
Aber was soll dazwischen liegen? Sind ganz grundsätzlich die neun Bundesländer zu stärken, und deswegen die nationalstaatliche Ebene zu schwächen (das steckt wohl hinter Erwin Prölls Ausbrüchen) oder soll von Spital bis Bildung, von Baunormen bis zum Jugendschutz der Bund gestärkt, und die Macht der Bundesländer "abgespeckt" werden?
Grober Klotz auf groben Keil
Spitals- wie Bildungsexperten haben jüngst diese Frage eindeutig beantwortet: Es wäre sinnlos, kontraproduktiv und teuer, das ohnehin kleine Österreich in neun von einander unabhängige Bildungs- und Spitalsregionen aufzuteilen. Diese Debatte sei aber hier nicht weiter vertieft, sondern ein anderer Weg gegangen. - Erwin Pröll teilt gelegentlich heftig aus. Und auf einen groben Klotz gehört bisweilen ein grober Keil.
Wohlan:
Wenn er schon meint, die Bundesländer - er meint natürlich "sein" Niederösterreich, beziehungsweise sich selbst - wären am besten geeignet, so komplexe Themen wie Gesundheit und Bildung zu gestalten, dann muss er ertragen, dass ein Politikbereich untersucht wird, für den er ganz alleine die Verantwortung trägt.
Das Praktische daran: Für diesen, leider völlig unterschätzen, Politikbereich bedarf es keiner komplizierten Strukturanalysen; es reicht ein halbwegs intaktes Sehvermögen.
In diesem Sinne: Machen wir eine kleine Fahrt durch Erwin Prölls Reich, und betrachten die Segnungen der niederösterreichischen Raumplanung.
Beginnen wir in Städten wie zum Beispiel Horn oder in Zwettl. Das Ergebnis niederösterreichisch verantworteter Raumplanung springt hier besonders brutal ins Auge. Rund um diese Städte wuchern Einkaufszentren, Möbelhäuser und ähnliche Einrichtungen, die die Ortskerne veröden lassen, die Menschen in die Autos zwingen und die von einer derart erlesenen Hässlichkeit und Uniformität sind, dass es einem den Atem raubt.
Fläche scheint es in Niederösterreich genug zu geben, denn da reiht sich ein Pennymarkt samt riesengroßem Parkplatz an einen Billa mit ebenso großen Stellflächen und nicht selten gesellt sich noch ein Hofer oder Spar dazu.
Die Anordnung dieser Kisten ist völlig beliebig, kein Fußgänger kommt auf die Idee, in diesem explosionsartig wachsenden Niemandsland spazieren zu gehen. Kein Schanigarten, untrügliches Zeichen gelungener Freiräume, wird dort jemals entstehen, die öffentlichen Räume sind Bewegungs- Flucht- und Parkraum für Autos, sonst gar nichts.
Autoritäre Grundströmung
Gespenstisch wird es am Abend oder an Wochenenden. Fahren wir weiter. Schauen wir uns die von fast ausschließlich schwarzen Genossenschaften errichteten mehrgeschoßigen Wohnbauten an. Sie sind meist ohne jede Verbindung zur Landschaft, zum Ortsverband oder auch zueinander, sind umsäumt von billigem Abstandsgrün und, einmal mehr, von ausufernden Abstellflächen für Autos umgeben. Qualitätsvolle Freiräume? Fehlanzeige. Architektur- oder städtebauliche Wettbewerbe? Mühsam erkämpfte Ausnahmen statt vom Land unterstütze Norm.
Einschub: Um mich hier nicht dem Vorwurf auszusetzen, wahllos VP-Landeshauptleute zu kritisieren, sei ausdrücklich auf die hoch stehende Baukultur von Vorarlberg verweisen. Ja, es ginge auch anders.
Aber ist Baukultur nicht ein Ausdruck gesellschaftlicher wie politischer Grundströmungen? Sagt die unsägliche Hässlichkeit des niederösterreichischen Häusergulasch, das sich aus der vom Land in keinster Weise gebremsten Bodenspekulation ergibt, nicht auch unglaublich viel über den autoritären Charakter der niederösterreichischen Politik aus?
Findet nicht beispielsweise eine niederösterreichische Medienpolitik, die jegliche Kritik ahndet und über Inserate Abhängigkeiten schafft, in eben dieser Bauunkultur ihre Entsprechung?
Raumplanung in Niederösterreich: Das ist ein wirtschaftliches, ökologisches und ästhetisches Desaster. Einer derartigen Politik soll Bildung und Schulen anvertraut werden? Nein danke. Statt dessen: Weg mit den Bundesländern! Dann hat Erwin Pröll wenigstens einen Grund zum Toben.
Aus "Die Zukunft der Städte"
des Burgenlandes: Im kompakten und belebten Dorf würden Diebe sofort
auffallen, in den einsamen Industriezentren oder den ohne Bezug
zueinander stehenden Einfamilienhäusern dagegen ist Kontrolle kaum möglich.
Ohne Bezug ist dabei auch sozial gemeint: Die losen Anhäufungen von Häusern
sind kein Dorf, die in die Landschaft gewürfelten Gewerbekisten kein wirkliches
Industrierevier. Die einfallslosen Bauwerke unserer Zeit sind damit erschreckender Spiegel der automobilen Gesellschaft: selbstbezogen, im Grunde einsam, ohne sozialen Zusammenhalt.
Schon mal in einem Einfamilienhaus gewohnt?
Dies liegt vor allem daran, dass Freiräume fehlen. Die Straße wird oftmals nur noch als Fahrbahn verstanden, nicht als Raum für Menschen. Und mit "das war schon immer so" lässt sich schwer argumentieren, denn vor der Vollautomobilisierung waren Straßen eben dieses (trotz der bösen Radfahrer).
Nun mag es im Einfamilienhaus in der Pampa so sein, doch durch jeden halbwegs besiedelten Ortskern führt eine Bezirks-, Land- oder (ehemalige) Bundesstraße - wenn nicht gleich mehrere. Und genau hier beginnt die Anonymität, die Leute gehen dort weniger auf die Straße, die Gehsteige verwaisen, es ist laut und die Leute suchen sich Baugründe am Rand des Ortskerns, wo sie (noch) wenig vom selbstgemachten Autoverkehr leiden.