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Was ist so schlimm an der Gesamtschule?

Teacher ist AHS Lehrer, offenbar häufiger Besucher meines blogs und Kritiker der Gesamtschule (siehe sein letzter Kommentar)
Ist vielleicht fruchtbar, eine niveauvolle Diskussion zu führen.

1. Die von Ihnen zitierte Studie ist mir auch aufgefallen.
Hier kann ich mich (wahrscheinlich wie Sie) nur über viele Eltern wundern und sie heftig kritisieren. Wer einem 7 oder 8 Jährigen den eigenen Fernseher ins Kinderzimmer stellt, überfordert ein Kind total.
Wie soll es alleine z.b. einen Zugang zum Buch finden, wenn per Knopfdruck jedwede Sendung abrufbar ist?
(Es geht mir nicht um das Fernsehgerät an sich - im Wohnzimmer - sondern um jenes im eigenen Kinderzimmer)
Kein Wunder, dass diese Kinder schlechtere Leistungen bringen.
2. Aber: Das ist für mich kein Argument, bereits 10 Jährige in "begabt" heisst "Matura" heisst "gesellschaftliche Position" und vice versa zu trennen, sondern so wie überall (!!) in Europa, mit Ausnahme Deutschlands und Österreichs diese Trennung erst vor der Oberstufe vorzunehmen.
3. In einer gemeinsamen Schule der 10-15 jährigen zu lernen , heisst auch nicht, dass alle alles gemeinsam machen müssen. Auch hier kann und soll bereits je nach Begabungen,Interessen aber auch Fördernotwendigkeiten differenziert werden.
Dazu braucht man auch speziell ausgebildete Personen, auch Sozialarbeiter/innen , die gerade diesen Förderunterricht organisieren sollen.
Das kann, da haben Sie recht, der klassische AHS Lehrer nicht alles anbieten.
4. Diese gemeinsame Schule bietet v.a. die Chance, dass jene, die vom Elternhaus ("bildungsferne Schicht" oder nennen wir es beim Namen "Unterschicht") benachteiligt sind, auch andere Milieus kennenlernen, sich andere Freunde suchen und "aufsteigen" können.
5. Wenn Finnland, das, wie ich hier in Grafiken gezeigt habe, deutlich bessere Gesamtergebnisse bringt UND gerechter ist, mit einer gemeinsamen Schule (samt innerer Differenzierung" zm PISA Sieger wird, dann versteh ich nicht, wieso sich so viele AHS-Leher dagegen sträuben.
6.Die Angst, dann mit Hauptschullehrern auf eine Stufe gestellt zu werden, die weniger verdienen, verstehe ich dann, wenn damit Gehaltskürzungen verbunden wären. Das ist, wenn es nach uns geht aber nicht der Fall, und angesichts der Macht der Lehrergewerkschaft auch nicht zu erwarten.
Gérard (Gast) - 29. Apr, 20:07

Schritt für Schritt

Ein erster Schritt - vor allfälligen Umstrukturierungen des gesamten Schulsystems - wäre endlich die Klassenschülerhöchstzahl auf ein vernünftiges Niveau zu senken! Und zwar abhänging von den jeweiligen Bedürfnissen (Fach, vorhandene Sprachmängel, Förderbedarf etc.) - auf jeden Fall kann es keinen sinnvollen, d.h. differenzierenden Unterricht mit mehr als 25 Kindern pro Klasse geben!

Optimal sind Lerngruppen von 10-15 Kindern, sicher kostet das Geld - aber das ist die einzige sinnvolle Investition in die Zukunft einer westlichen Gesellschaft!

Das Problem an den Hauptschulen ist ja nicht generell, dass dort nur die "Unterschicht" reproduziert würde. Tatsächlich sind es fast nur die Hauptschulen in Ballungsräumen mit hohem Anteil an Migrationshintergrund, die diesen schlechten Ruf haben. Zusätzlich kommen sicher noch die Kinder aus Familien, die keinen besonderen Wert auf Bildung legen (können). Hier gilt es anzusetzen: Kleingruppenunterricht und spezifische Förderung.

Ob das Problem mit Gesamtschulen zu lösen ist, wage ich zu bezweifeln. Was wäre die Konsequenz einer "erzwungenen" Vermischung? Es gäbe keine Differenzierung zw. den Schultypen mehr sondern eine Differenzierung zw. einzelnen Schulen bzw. innerhalb von Schulen! Dann schickt die "Oberschicht" eben die Kinder nicht mehr ans "Gymnasium" sonder ans XY-Gymnasium. Und im XY-Gymnasium gibt es die A-, B-, C- etc. Klassen, wobei die "bildungsfernen" Kinder in den ungeliebten Klassen gesammelt werden.

docvoo - 29. Apr, 23:37

radical free school

das könnte von interesse sein:
http://www.youtube.com/watch?v=rgpuSo-GSfw

Theodore (Gast) - 30. Apr, 14:01

Finnische Matura ist nichts wert

Sehr geehrter Herr Chorherr!

Wußten Sie, daß die finnische Matura vor einigen Jahren nicht mehr ausgereicht hat, um an deutschen Universitäten zugelassen zu werden?
Dh sie haben junge Menschen, die zwar gut und schnell lesen können, aber diese Fähigkeit nicht dazu einsetzen um Bildung zu erwerben, sondern um den Untertiteln im Fernsehen folgen zu können...

Finnland hat nur deshalb eine Gesamtschule, weil das Land so groß wie Deutschland ist, aber nur fünf Millionen Einwohner hat. Es ist dort schlicht und einfach unmöglich ein differenziertes Schulsystem aufrecht zu erhaten.

Was wir aber aus Finnland übernehmen könnten wäre, daß (AHS)-Lehrer nicht mehr soviel bezahlt bekommen und jederzeit kündbar sind...

mfg
Theodore

christoph (Gast) - 30. Apr, 16:59

aso

was die finnische matura wert ist oder nicht, will ich jetzt nicht beurteilen. es snd ja zB in österreich schon riesen unterscheide ob ich meine matura in der einen oder anderen schule mache.

den rest versteh ich nicht - sie negieren ganz einfach das ergebnis der pisa studie. - finnland hat nun mal am besten abgeschnitten. - nicht nur im lesen.

und das ewige hinhauen auf lehrer ist ja sowieso der größte schwachsinn. wissen sie was ein lehrerIn (besonders eine junge) verdient? immerhin haben AHS-lehrerInnen einen akademischen abschluss und damit auch ein "akademiker-gehalt" verdient. und die unkündbarkeit gibt es für lehrer (zumindest jene unter 35) auch längst nicht mehr. 3 monate ferien pro jahr mögen ja ganz toll sein, aber die belastung vor 30 schülerInnen den "alleinunterhalter" zu machen ist auch nicht ohne. - ich bin froh nicht selber lehrer zu sein.

also das nächste mal lieber konstruktive vorschläge, als einfahc nur auf alle hinhauen.
Patscherkofel (Gast) - 2. Mai, 09:54

Wahrscheinlich ist die finnische Matura in D deshalb nicht zugelassen, weil sonst

die deutschen Schüler und Studenten Minderwertigkeitskomplexe bekommen würden.

irgendwann wird sicherlich der EUGH diesem Unfug den Garaus machen.
cc - 3. Mai, 12:18

spannende Diskussion

schön, dass hier niemend im Schützengraben sitzt
denn diese absurde Lagerbildung blockiert die heimische Bildungsdiskussion seit Jahrzehnten.
und um diese wichtige Diskussion von meiner Seite weiterzuführen, und auf die Argumente von teacher einzugehen.
Er schreibt: Das Wichtigste: Die Schule (auch die Gesamtschule) kann die riesigen Probleme unserer Gesellschaft und unserer Kinder (z.B. Vandalismus, Gewalt, Drogen, Bildungsunlust ...) nicht lösen. Wir brauchen viel tiefgreifendere Reformen! Nicht nur in der Schule!
Ja wir brauchen viele Reformen.
Aber die Schule ist DIE geselschaftliche Institution die hier einen ganz wesentlichen Beitrag leisten muss.
Und darauf hat die Politik auch einen wesentlichen gestalterischen Einfluss.
Und eine reformierte Schule kann hier verbessernd, oft sogar stark verbessernd sein.
"Das Problem" ganz zu lösen wird nie möglich sein.
Gerade weil die klassische (Klein-)Familie offensichtlich immer stärker überfordert ist, aus verständlichen Gründen Väter wie Mütter im Erwerbsleben stehen und wollen, aber Kinder und Junge Menschen Zeit, Zuwendung, Vorbild und Regeln brauchen, muss die Schule, so wie ich mir sie vorstelle eine immer stärkeren Erziehungsaufgabe übernehmen.
Wer sollte es sonst sein?
Einig sind wir uns darüber, dass ein Grundübel der öffentlichen Bildungsdikussion in der Geringschätzung des Lehrberufs liegt ("lange Ferien, verdienen zu viel, Halbtagsjob", etc.)
Hier sehe ich einen grossen Unterschied zu Finnland.
Lehrpersonen geniessen höchsten gesellschaftlichen Respekt.

Und natürlich "löst" die Gedsamtschule allein nicht alle Probleme.
V.a. müssen damit eine Reihe weiterer Reformen verbunden sein.
Aber:
(wie heissts so schön:) Sie ist eine notwendige aber nicht ausreichende Vorausetzung für eine deutliche Verbesserung des Bildungswesens.
Parallel dazu muss v.a. zweierlei passieren.
Einerseits müssen ausreichende Finanzmittel bereitgestellt werden (nicht gekürzt wie bisher) und zweitens muss ein grosser Teil der die Schule betreffenden Entscheidungen, die derzeit "feudal" von der Behörde erfolgt, den Schulen selbst übergeben werden.
Radikale Demokratisierung also.
Wer sonstv, als die Lehrer selbst, gemeinsam mit Eltern und Schüler/innen sollen entscheiden, wie sie ihren Unterricht gestalten sollen.
Innovation kann man nicht verordnen.
Politik kann die Rahmenbedingungen festsetzen, um zu Innovation zu ermuntern und systemische Ungerechtigkeiten abzustellen.
Und nochmals: Die erzwungene Trennung mit 10 ist so eine systemische Ungerechtigkeit.
maschi - 2. Mai, 10:12

Lebenslanges Lernen

"Zuviel Fernsehen" führt laut der in der Presse zitierten Studie also zu schlechten Noten?

Ich wage eine - freilich weniger schlagzeilenträchtige - These: Spielerisch-produktiv gewidmete ZEIT für und mit Kindern führt unter anderem auch zu besseren Noten. Vorlesezeit, gemeinsames Spielen, Unternehmungen und überhaupt eine liebevolle Beschäftigung mit allem, was das Leben lebenswert macht führt zu Zufriedenheit bei Gross und Klein - und nebstbei auch zu besseren Noten.

Wenn für alldas zuwenig Zeit vorhanden ist oder einfach die Geduld fehlt, dann ist im Extremfall eine Form von kindlicher Verwahrlosung die Folge, die man natürlich nicht nur am unteren Ende der "sozialen Skala" findet. Und die grosse Leere wird nur allzugern mit Fernsehen oder anderen elektronischen Babysittern aufgefüllt. Freilich werden die Probleme in ökonomisch schlechter gestellten Familien in der Regel grösser sein...

Eine statistische Korrelation (hier: viel Fernsehen - schlechte Noten) sagt uns leider wie so oft gar nichts über Ursache und Wirkung. Fernsehen macht natürlich nicht dumm, aber Dinge wie Lesen, Spielen, fröhlich sein und geliebt werden machen schlau. Dann gibt es in der Regel auch weniger Bedarf und schlicht weniger Zeit für die Glotze. Eigentlich eine Binsenweisheit.

@teacher: Zitat von Ihnen: "Fingerschnipp. Gesamtschule macht's wieder gut. Super. Falsch."

Es gibt wie meist im realen Leben keine Patentrezepte. Die relevante Frage ist daher nicht, ob die Gesamtschule für 6-15jährige ein Allheilmittel ist, sondern ob sie Probleme etwas besser bewältigen kann als ein aussortierendes Schulsystem.

Die Erfahrung in Österreich und international lehrt uns, dass "Integration" praktisch überall besser ist als "Segregation". Deshalb haben wir erfolgreich den "B-Zug" in den Hauptschulen abgeschafft. Deshalb haben wir gute und erfolgreiche Schritte im Bereich der Behinderten-Integration gemacht. Und deshalb sollten wir jenen Kindern, denen Vorlesezeit, Spiel, Unternehmungen etc. gefehlt haben eine Chance geben, indem wir sie mit Kindern zusammenbringen, denen es besser ergangen ist. Und das Erstaunlichste und Ermutigendste daran ist, dass das auch den Kindern, die bereits voraus sind, enorm viel bringt...

Freilich wird es in Zukunft umso weniger damit getan sein, den Frontalunterricht 1:1 fortzusetzen und alle zu ignorieren, die nicht mehr folgen können, weil sie entweder überfordert sind oder so stark unterfordert sind, dass sie die Fadesse im Kopf nicht mehr ertragen. Das wäre die Herausforderung der "inneren Differenzierung" und "individueller Förderung". Ohne neue A-, B- und C-"Züge"!

By the way: Dass die Zusammenarbeit zwischen Pflichtschullehrern und AHS-Lehrern ausgezeichnet funktionieren kann, das machen die existierenden "integrativen Mittelschulen" ja längst vor... worauf also warten? Für die Zukunft braucht es eine einheitlichere Lehrerausbildung, keine Frage.

Gefordert ist lebenslanges Lernen - auch für Lehrer!

Philipp (Gast) - 2. Mai, 10:46

Wenn man sich nach der Volksschule schon zwischen Gymnasium und Hauptschule entscheiden muss, ist das auch für den Betroffenen, also den Schüler, ein ernstes Problem. Bei meinem kleinen Cousin steht genau das jetzt an. Und bei vielen zählt nicht nur, ob er das Gymnasium jetzt schaffen würde oder nicht (kann man das von einem 10 Jahre alten Kerl eigentlich schon sagen?), sondern ob jetzt alle Freunde ins Gymnasium oder in die Hauptschule gehen. Natürlich eine sehr objektive Entscheidung, oder? Und nach den 4 Jahren kann man erst wieder hin und her wechseln, wie man will.

teacher - 2. Mai, 22:17

Nicht schlimm - unzureichend

Kurze Rückmeldungen:
1. Das finnische Schulsystem kenne ich nur aus Beschreibungen (mit unterschiedlichen Beurteilungen und Erklärungen), ich kenne aber das ebenso erfolgreiche System aus Korea: Frühe Einschulung, harte und ausdauernde Arbeit, ehrgeizige Eltern, hoch geachtete Lehrer, Bildung als gesellschaftlich anerkanntes Ziel, beinharte Selektion. Da könnten wir auch hinschielen.
2. Warum sind viele AHS-Lehrer gegen die Gesamtschule?
Weil deren Einführung massive Umstellungen („geeignete Rahmenbedingungen“) bräuchte (z.B. kleinere Klassengruppen, neue Lernmaterialien, Stützlehrer ...) Erfahrungsgemäß würde die Gesamtschule aber mit politisch-medialer Selbstbeweihräucherung eingeführt und die notwendigen Bedingungen dafür „vergessen“. Dann bringt sie nur Probleme und die funktionierende AHS wäre gekillt.
Wir haben auch Angst vor der gängigen Politpraxis, für das breite Wahlvolk schnelle, billige Lösungen aus dem Hut zu zaubern ohne auf wirkliche Effekte zu achten.
Beispiel: Die Frühwarnungen werden als toller Erfolg verkauft: Weniger Schüler haben schlechte Noten, super. Leider nicht, weil die Schüler mehr lernen, sondern weil die Lehrer dem zusätzlichen Aufwand für negativen Noten ausweichen. Also verschenken wir lieber die „Vierer“. Wahnsinniger Erfolg!
3. Ich kenne keinen einzigen AHS-Kollegen, der auf die Volks- oder Hauptschullehrer verächtlich hinunterschaut. Im Gegenteil, wir bewundern ihre unbedankte Arbeitsleistung unter schwierigsten Bedingungen.
4. Zu meinem Einkommen: Meine Nachbarn sind Bäckermeister und Metallarbeiter – beide verdienen mehr als der „Herr Professor“.
5. Fernsehen macht nicht per se dumm. Ich habe z.B. eine Fremdsprache fernschauend erlernt (wie manche Finnen!). Aber Kinder, die Stunden vor den blödesten Sendungen verbringen, können weder geistige noch moralische Fortschritte machen, Gesamtschule hin oder her. Hier massiv einzugreifen würde schnell gute und kostenlose Verbesserungen bringen.
6. Die Aussage, dass Gesamtschule im Vergleich zu selektiven Systemen international bessere Ergebnisse zeitigt, wird genauso oft vorgebracht wie widerlegt. Beispiel: Deutsche Ländervergleiche.

Das Wichtigste: Die Schule (auch die Gesamtschule) kann die riesigen Probleme unserer Gesellschaft und unserer Kinder (z.B. Vandalismus, Gewalt, Drogen, Bildungsunlust ...) nicht lösen. Wir brauchen viel tiefgreifendere Reformen! Nicht nur in der Schule!
maschi - 3. Mai, 10:43

Feedback für teacher

ad 1: Nennen Sie mich überheblich, aber ich bin tatsächlich der Meinung, dass wir in Europa gesellschaftlich in diesem Punkt weiter sind als unsere Freunde in Asien. Wir haben den "Drill" aus guten Gründen hinter uns gelassen und sehen im Korea-Modell daher schon aus demokratie-hygenischen Gründen keine Option, die langfristig positiv wirkt.
ad 2: Verstehe ich 100%, aber dann könnten Sie Ihre Meinung eigentlich dahingegend adaptieren, dass Sie sich mit einer schlauen Einführung der Gesamtschule anfreunden könnten
ad 3+4: Der Lehrerberuf wird tatsächlich nicht hoch genug geschätzt. Zum Einkommen denke ich, dass immer noch recht viele Menschen Lehrer werden wollen. Das Gesamtpaket der "Gratifikationen" scheint also nicht gar so schlecht zu sein.
ad 5: Zustimmung, sehe aber keine Möglichkeit zum "Eingreifen".
ad 6: Gesamtschule steht nicht im Widerspruch zu Selektion, sie verlegt nur den Zeitpunkt der Selektion nach hinten, fördert dadurch die "Erfolgsrate" bei der Selektion, und damit im Endeffekt die Leistungsfähigkeit der Gesellschaft. Die Söhne und Töchter der Rechtsanwälte, Ärzte und Lehrer sind halt nicht immer die besten Rechtsanwälte, Ärzte und Lehrer...

Und: Ja, wir brauchen auch noch viele andere Reformen... ;-)
maschi - 3. Mai, 14:57

Ein wenig off topic...

... und dann aber doch wieder nicht: Unbedingt Joakim Palme im neuen Falter lesen! Leider nicht online...

teacher - 3. Mai, 15:22

Ich habe mir ganz bewusst das Korea-Schulsystem angesehen. Es scheint mir nicht überheblich, aber einäugig zu sein, die asiatischen Lernbedingungen als vorgestrig abzutun. Die großen Jugendprobleme jenseits von PISA (= ein unbedeutender Nationenvergleich), nämlich Gewalt, Vandalismus, schlechtes Benehmen, Drogen, Bildungsunlust etc. sind genau in diesen asiatischen Ländern unbekannt. Und die Lernerfolge berauschend. Trotz TV, Computerspielen etc.
Ausserdem entsteht dort eine Konkurrenz zu unseren Absolventen, der wir nicht gewachsen sind: Hoch gebildete, hoch motivierte, billige und willige Arbeitskräfte, weltgewandt und in großen Mengen verfügbar.
Genauso in China, Indien etc. ... und die global player von GM bis IBM haben sich längst darauf eingestellt.
Wir müssen die absehbaren Folgen der Globalisierung auch aus schulischer und pädagogischer Sicht betrachten - sonst erziehen/programmieren wir zukünftige Loser. Mit oder ohne Gesamtschule.
maschi - 3. Mai, 16:21

In Korea

gehen die SchülerInnen neun Jahre gemeinsam zur Schule, erst danach trennen sich die Schullaufbahnen. Es gibt kein Sitzenbleiben. Die Absolventen der Grundschule werden nach Losverfahren auf die Mittelschulen in ihren Wohnbezirken verteilt. Dieses Verfahren soll verhindern, dass wohnviertelspezifische Hierarchien von Elite- bzw. "Restschulen" entstehen.

Für Höchstbegabte gibt es schon früh eine besondere Förderung.

http://www.gesamtschule-hamburg.de/korea.htm
teacher - 4. Mai, 17:55

Danke für den link:
Genau! In Korea gibt es das 6-3-3-System, also eine lange Grundschule und Gesamtschule + frühe Einschulung. Ähnlich wie in Frankreich: 5-4-3.
Der Unterschied? Die kleinen Koreaner schneiden toll ab, die Franzosen liegen im schwachen Mittelfeld und haben unglaubliche Probleme und „heiße Zonen“ (ZEP)
Mein Schluss: Die Gesamtschule erklärt die Erfolge Koreas nicht, ich suche daher andere Gründe.

Mein zweiter Schluss: Wenn wir in Österreich zukunftsträchtige Reformwege für die Schule suchen, dann reicht eine Umstellung auf die Gesamtschule sicher nicht. Sie gefällt nur manchen Politikern, weil sie schnell kosmetische und statistische Wirkungen erzielen könnte (wie bei der Frühwarnung)

P.S.: In Frankreich wurde durch das Gesamtschulsystem die soziale Reproduktionswirkung des Bildungssytems nicht verhindert. Dort machen Kinder von Maturanten weiter die Matura (+Studium), Kinder von Immigranten weiter die Drecksarbeit. Und wer es irgendwie schafft, geht in eine "gute Schule" (da gibt es unglaubliche Tricks, das zu erreichen!).
Bitte neue Ideen ausprobieren, die Gesamtschule für sich allein bringt’s nicht!

maschi - 5. Mai, 15:00

Wir sind uns doch eh einig

ich zitiere von der Hamburger Seite:

"Voraussetzung ist, dass die Gesamtschule der Zukunft mehr ist als das Ergebnis einer alternativlosen Abschaffung des mehrgliedrigen Schulsystems. Eine Gesamtschule, die funktionieren soll, muss jede einzelne Schülerin, jeden einzelnen Schüler individuell fördern, muss Eltern und Schüler in ihre Arbeit einbeziehen, braucht eigenes Geld, genug Lehrer, Hilfspersonal, Therapeuten und Sozialarbeiter. Sie muss über ihre Unterrichtsinhalte entscheiden können, braucht Zeit und Raum und einen eigenen Rhythmus des Lernens. Wer Gesamtschulen für das bessere Modell hält, kann bei der Frage Ein- oder Mehrgliedrigkeit nicht stehen bleiben. Eine Schule für alle, die Bildung für alle vermittelt, und das mit Anspruch auf einen Pisa-Spitzenplatz, muss eine Ganztagsschule sein."

Ich fordere Sie als mir engagiert erscheinenden AHS-Lehrer daher auf, Ihren (verständlichen) Frust an den sprichwörtlichen Nagel zu hängen, Ihrem Herzen einen Stoss zu geben und den Weg für eine Reform der AHS-Unterstufe in diesem Sinne frei zu machen. Und wenn Sie persönlich dann dennoch lieber Oberstufe unterrichten, wird niemand sauer sein! ;-)
teacher - 6. Mai, 19:00

Ich bin ein gebranntes Kind:
Idealisten fordern eine umfassende Reform Richtung Gesamtschule, Politiker installieren die Gesamtschule ohne umfassende Reform.

Beispiel aus der Vergangenheit: Die Frau Minister spricht von einer Fremdspracheninitiative. Die Folge war eine Reduktion der Französischstunden.

So läuft das bei uns.

Alex (Gast) - 7. Mai, 20:38

Mir kommen die Tränen :-)

@teacher. Ja, jetzt kommt wieder ein Lehrerbashing vom Feinsten, denn gebrannte Kinder gibts bei uns viele, und nicht die wenigsten sind in der Schule von unfähigen Lehrern ins Feuer geschickt worden.

teacher schreibt:"ich kenne aber das ebenso erfolgreiche System aus Korea: Frühe Einschulung, harte und ausdauernde Arbeit, ehrgeizige Eltern, hoch geachtete Lehrer, Bildung als gesellschaftlich anerkanntes Ziel, beinharte Selektion. Da könnten wir auch hinschielen."

teacher schreibt weiter:
"Hoch gebildete, hoch motivierte, billige und willige Arbeitskräfte, weltgewandt und in großen Mengen verfügbar."

Gehts noch??!!!
Haben Sie schon mal von dern katastrophalen "nebenwirkungen" des koreanschen Schulsystems gehört. Extremer Druck auf die Kinder. Hohe Selbstmordraten. Vereinsamungen sensibler Kinder. Finanzielle Ruin ganzer Familien, weil der erwartete Schulerfolg sich trotz teurer Nachhilfestunden nicht einstellt.

Sie schreiben "Beinharte Selektion". Das ist in Ihren Augen was Positives??? Sie schrieben "in großen Mengen verfügbar". Ähm, wes Geistes Kind sind Sie eigentlich?. Sie sprechen von Menschen nicht von Maschinen.

Weiters sollte Ihnen als Lehrer, nebstbei was unterrichten Sie eigentlich?, klar sein, dass die koreanische Gesellschaft völlig anders aufgebaut ist als unsere, Es ist eine sogenannte metakonfuzianistische Gesellschaft, der eine völlig andere Wertigkeit des Individuums inert ist, als es bei uns der Fall ist. Wenn Sie dort einmal die Kinder am Morgen im Gleichschritt im Schulhof antreten sehen haben, wird auch Ihnen das Adjektiv "faschistisch" durch den Kopf gehen.
Dort wird auch noch die Prügelstrafe angewandt und dass Sie vorschlagen, dass wir uns daran ein Beispiel nehmen sollen, läßt mich um Ihre Schüler bangen.

Gut, ich verstehe, dass Sie und Ihre Kollegen mit Ihren Schülern überfordert sind, und ich konzidiere auch, dass manche Probleme auch von "verzogenen" Schülern ausgehen, aber ziehen Sie bitte auch in Betracht, dass viele Probleme an den Schulen von dem Lehrpersonal ausgehen.

Das hohe gesellschaftliche Ansehen, dass Sie für Lehrer fordern, müssen Sie sich erst einmal verdienen. Ich habe schon mit 16 Jahren, höhere Bezahlung und höheres Ansehen für Lehrer gefordert, die bereit sind, sich halbjährlich einem psychologischem Screening zu stellen, und moderne pädagogische Methoden zu erlernen.

Ich respektiere Ihre Bereitschaft sich in die Diskussion einzubringen, und möchte Sie auch nicht endgültig verhärmen, aber Ihre Argumentation, dass viele AHS-Lehrer die Gesamtschule ablehnen, weil es dazu andere Rahmenbedingungen bräuchte kann ja wohl nur als Aufforderung an die Lehrer verstanden werden, dass sie sich für diese Rahmenbedingungen einsetzen, und sie schaffen. Dass das Frühwarnsystem "mißbraucht" wird, ist ja auch in der Verantwortung der Lehrer zu suchen, wie Sie selbst geschrieben haben.

Ich glaube aus Ihren Argumenten die Sehnsucht nach einem Job an einer kleinen "Eliteschule" herauszuhören. Daran ist ja nichts auszusetzen, und vielleicht finden Sie dort Ihre Erfüllung als "Elite-Lehrer".

Uns Normalsterblichen sei es aber trotzdem erlaubt, an eine gerechte Bildungschance für Jedermann zu glauben, und diese läßt sich nun mal, wie es ja empirisch vielfach erwiesen ist am Besten in der einen oder anderen Art der "Gesamtschule" verwirklichen.
teacher - 8. Mai, 12:41

@Alex

Bitte genau lesen.
Ich kenne das koreanische System, natürlich auch die negativen Auswirkungen auf manche Schüler. Ich habe in Korea auch den Konfuzianismus im Alltag erlebt – und positive Erinnerungen daran.
In meinen Worten „beinhart“ und „in großen Mengen verfügbar“ steckt bereits meine Kritik an diesen Verhältnissen drinnen.
Bei den PISA-Vergleichen werden diese Tatsachen ausgeklammert, in der Globalisierungsdebatte auch.
Vielleicht sind wir uns darin einig, dass es neben den statistisch vergleichbaren Daten aus PISA noch wichtigere Dinge in der Erziehung und Bildung von Kindern gibt?
Konstruktive Argumente für eine Gesamtschule habe ich in Ihrem Beitrag vermisst.

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