Konsequenzen aus einer Niederlage
von cc am 08.06.2009
zu dieser ausgezeichneten interaktiven Grafik gehts hier
Meine Schlüsse aus der EU-Wahl:
1.) Die europäische Perspektive: Die Grünen haben (mit Ausnahme Österreichs) nahezu überall gewonnen.Teilweise sogar sehr deutlich. Wähler goutieren unsere Inhalte. Auch und gerade in der Krise; das ist neu und ermutigend.
Es ist ein grosser Fortschritt für die grüne Idee, dass jetzt im Europaparlament, welches immer stärker wird, grüne Themen deutlich an Gewicht gewonnen haben.
2.) Unser Ergebnis in Österreich ist eine deutliche Niederlage.Gerade der Vergleich zu anderen Ländern (Frankreich, Belgien, etc.) sind wir sehr weit unter unseren Möglichkeiten geblieben.
3.) Wir konnten , entgegen vielen Vorhersagen , trotzdem ganz knapp unsere zwei Mandate halten konnten.Das verdanken wir der Klugheit vieler unserer Wähler/innen, die trotz Kritik und Enttäuschung wussten worum es ging: Um die Zusammensetzung des Europäischen Parlaments, und die Frage, ob Eva Lichtenberger, oder z.B. Ewald Stadler Parlamentarier wird.
Dafür ein aufrichtiges "Dankeschön"
4.) Aus dieser Niederlage müssen wir Konsequenzen ziehen.Diese sind vielfältig.
5.) Das Ergebnis der ÖVP soll uns zu denken geben.
Dazu eine These (deren Wahrheitsgehalt sich in den nächsten Tagen zeigen wird): Die zugelassene innere Pluralitätder VP-Liste hat zu enorm vielen Vorzugsstimmen geführt (das vermute ich).Kritik, auch an der Parteispitze (v.a. durch die Nominierung von Ernst Strasser) wurde in Vorzugstimmen für andere Kandidaten umgemünzt.
Strasser wird weit nach hinten gereiht werden.Das gab zwar innerparteilichen Zwist, hat aber der VP enorm genützt. Diese Chance hatten wir auch. Eine Vorzugsstimmenkampagne von Johannes Voggenhuber hätte ebenso mobilisiert, wie eine von Ulrike Lunacek oder Eva Lichtenberger.
Der erweiterte Bundesvorstand hat das abgelehnt.
Das soll uns nie wieder passieren.
Vielfalt und Pluralität auf unseren Listen ist zwar schwierig, hilft aber für den Wahlausgang enorm.Und entspricht der heterogenen Zusammensetzung unseres Elektorats.
6.) Interessierte Wähler/innen müssen verstärkt eingebunden und deren Potential genutzt werden. Für Wien muss das heissen: Die Grünen Vorwähler/innen müssen, ausser es liegen bei Einzelpersonen eindeutige und klar nachvollziebare Gründe vor, endlich aufgenommen werden.
7.) Es gewinnen Kandidat/innen, die mit Leidenschaft und Klarheit eine politsiche Geschichte erzählen können. Daniel Cohn Bendit, ein glühender, wenn auch umstrittener Europäer (ich schätze ihn enorm) hat damit im nicht gerade grünaffinen Frankreich ein sensationelles Ergebnis erreicht.
Deswegen warne ich davor, allzu vereinfachend auf HPMs Wahlerfolg zu reagieren. Klar war hier die Kronenzeitung entscheidend. Aber er hatte auch eine Geschichte zu erzählen, hat sich die Mühe gemacht, ein Buch über seine Ideen und Vorstellungen zu schreiben.
Es war klar, was er wollte.
Auch Johannes Voggenhuber gelang es über die letzten Jahre, in hunderten Vorträgen klar seine Vision von Europa zu vermitteln.
Uns gelang das nicht ausreichend.
Das ist keine persönliche Kritik an Ulrike Lunacek oder Eva Lichtenberger, sondern geht an uns alle, auch an mich.
8.) Es gibt ein grosses Bedürfnis nach grundlegenden politischen Debatten. gar nicht selten finden sie hier auf diesem Blog statt.
Neue Medien bieten dafür eine hervorragende Plattform.
Das wirksamste Kommunikationstool ist jedoch das persönliche Gespräch.
Ich bin sehr viel zu Diskussionen eingeladen. Ich nehme diese gern an. Gerade an Schulen.
Da ist von Politikverdrossenheit nichts zu spüren. Im Gegenteil:Es gibt unendlich viele Fragen. Und Bereitschaft sich mit dem umbekannten "Tier", das Politik heisst auseinanderzusetzen, wenn jemand bereit zum Gespräch ist.
Das können und müssen wir verstärken.Sehr sehr deutlich sogar.
9.)Stärker als jede Kritik ist die konkrete Alternative. Die auch mit Hoffnung verbunden ist. Diese Alternativen (im Bildungs- Energie- Stadtplanungs- oder Wirtschaftsbereich, etc.)gibt es. Sie gehören vor den Vorhang.
Wir haben die Scheinwerfer.
Ermutigung ist der wirksamste Kampf gegen rechts, und Empörung allein keine Politik.
10.) es gibt viele weitere Schlüsse aus diesem Wahlausgang.Was sind Eure?
Sie interessieren mich, und die inzwischen sehr vielen, die hier mitlesen sehr.
konsequenzen?
groß jammern ist einfach (ist nicht persönlich gemeint, herr chorherr), und bei weitem nicht genug.
wie gehts weiter mit euch?
und: werden glawischig und co. bald einmal auf die ihnen gebührenden plätze verwiesen?
ich fürchte ja, dass es mit den grünen weiter bergab gehen wird, nicht zuletzt dank der unsäglichen performance der derzeitigen führungsriege.
angesichts der derzeitigen politischen lage in österreich müsste es für eine grüne partei eigentlich ein leichtes sein, zu wachsen. nichts dergleichen. gleichgeschaltete fadesse und funktionärsdenken stattdessen, und wahlniederlagen werden damit begründet, dass es nicht gelungen ist, botschaften zu transportieren - als wären wir, die wähler, unmündige volltrottel, die es einfach nicht kapieren. so wird das nix, das ist zumindest meine prognose.
Vieles ist zu tun
Ich möchte nicht den ganzen Blogeintrag hier reinkopieren. Meine persönliche Sichtweise der Grünen Niederlage und was daraus zu schließen ist:
http://is.gd/Tdoc
neue personen
neue leute MÜSSEN her: z.b. monika langthaler oder harald walser für den bund, z.b. marco schreuder für wien. die grünen brauchen leute mit charisma und positiver ausstrahlung!
jetzt nicht kuscheln, sondern (für manchen durchaus bittere) konsequenzen ziehen - sonst gibts in einigen monaten das nächste flaue ergebnis. oft werden die leute die grünen nicht mehr aus mitleid wählen.
Gerade noch Grünwähler
Ein klassischer Grünwähler bin ich zwar vielleicht nicht, deshalb müsste sich die Parteiführung vielleicht noch nicht so sorgen. Ich sehe wohl Themen wie Biotechnologie etwas differenzierter aber das soll hier aber gar nicht der Fokus sein. In den letzten Jahren war ich aber trotzdem sehr verlässlicher Grünwähler, auch des seriösen Stils eines VdB wegen.
Ich halte die 2 Kernpositionen der europäischen Grünen bei dieser Wahl für sehr wichtig. Erstens eine nachhaltige Wirtschafts-/Umweltpolitik anzustreben und die EU als Chance dafür anzusehen und zu nutzen. Zweitens die EU auch als gesellschaftliche und politische Chance anzusehen und Richtung demokratischer supranationaler EU zu arbeiten.
Folgendes hat mich schwer irritiert:
=> Interne etwas grausliche Machtkämpfe an denen meiner Meinung nach beide Seiten Schuld waren. (mein Wunschkanditat ist abhanden gekommen)
=> Manche haben mit dem populistischen Feuer gespielt
Ich habe die österreichischen Grünen nach langen Überlegungen trotzdem wieder gewählt. Sollten die Grünen jedoch nicht die meiner Meinung nach richtigen Lehren aus dieser Niederlage ziehen, sollten die Grünen Richtung Attac Populismus abdriften ist meine Stimme das nächste mal wirklich weg.
Schliesse mich
Medien
Liebe Gudrun Rosenberger,
@Gudrun Rosenberger
genauso!
werdens nix.
dann sind sie an der spitze, und man spricht ihnen sofort die kompetenz ab (haben sich ja vorher so präsentiert, als ob
sie nur durch "baucheinsatz" nach oben kamen).
und die medien machen brav mit (und natürlich die angeblich sooooo emanzipierten grünen männer offensichtlich auch)
herr ben
einfach ignorieren? irgenwelche tussies von berühmten männern kommen ständig vor. aktionen von politikerinnen
kommen in den medien ned. und dann heißts die tun ja nix, von denen hört und liest man ja nix
Lunacek ist ein Nischenprodukt, weil...
Und weil sie - und das ist ihr Verdienst, aber davon kommt sie in der öffentlichen Wahrnehmung nicht los; wie ein Schauspieler, der seit 10 Jahren in der gleichen Seifenoper spielt - eine starke persönliche Marke hat als Vertreterin von etwas, das am Anfang ihrer Tätigkeit noch ein extremes Nischenthema war. Sie ist und bleibt die Pionierlesbe der ö. Politik. Natürlich ist es ungerecht, besonders weil sie den Weg für andere geebnet hat - schau wie viel leichter sich die 10 Jahre jüngere und erst kürzlich ins öffentliche Leben getretene Lisa Rücker tut - aber an ihr selbst bleibt dieses Image hängen.
Dass sie kommunikativ nicht wahnsinnig begabt oder wandlungsfähig ist, und nie ganz den Eindruck macht, dass sie mit dem was sie zu sagen hat wirklich zu Hause fühlt, ist eher ihre eigene Verantwortung, weil diese Dinge zum Handwerk gehören.
Und letztlich sind die Verlierer dieser Wahl an ihren Brillen zu erkennen - im Wettbewerb fürchterlicher Politbrillen der letzten 10 Jahre liefert sie sich da ein hartes Match mit dem Swoboda. Weit abgeschlagen bemüht sich der Kurt Flecker; wobei bei ihm eher die bizzare Frisur (eigentlich eine Frisurverweigerung, aber ich befürchte er gibt dafür Geld aus) die Show stiehlt.
ulrike - vorzugsstimmen
Ulrike hat in Wien (die bundesweiten Zahlen konnte ich auf der website vom bmi nicht finden) die drittmeisten Vorzugsstimmen aller KandidatInnen aller Parteien gesammelt.
Sie liegt nach Karas und Swoboda noch deutlich vor Strasser und HP Martin, und hat fast doppelt so viele Vorzugsstimmen wie Mölzer auf sich vereint.
Bei all den (unreflektiert und oft unbewusst) sexistischen und auch homophoben Angriffen gegen ihre Person, die sich vor den Wahlen gerade in diversen Foren und Blogeinträgen von selbstdefinierten Grünaffinen gezeigt haben (und ja, der Versuch, sie aufgrund ihres lesbisch-feministischen Engagements als Nischenprodukt zu brandmarken, ist ein sexistisch/homophober Angriff), zeigen diese Zahlen in meinen Augen recht deutlich, dass sie sehr wohl aufgrund ihrer europapolitischen Positionierung ein großes Ausmaß an Unterstützung bei den GrünwählerInnen erzielen konnte.
Ich würde daher ersuchen, mal genauer zu überlegen, mit welcher Motivation Kritik an ihrer Arbeit geleistet wird, die sich als "lesbisches Nischenprodukt" oder "fürchterliche Politbrille" artikuliert...
In Wien scheint sie
Der Wahlkreis war in diesem Fall etwas größer. Also bei dieser Wahl ist Wien durchaus eine Nische. Und draussen wissen wir zwar noch nicht wie die Vorzugsstimmen sind, aber wir wissen dass insgesamt sehr viele Stimmen verloren gegangen sind. 9.5% von 43% und davon 11% die Grüne wegen ihr gewählt haben ist mit Verlaub, kein bombiger Erfolg.
Zu homophob und sexistisch: erstens vielleicht bin ich das tatsächlich. Das sollen andere beurteilen. Ich kann mich jedenfalls gut in die Situation von homophoben und sexistischen Menschen versetzen, weil ich beides sicher in früheren Zeiten in einem weit höheren Mass gewesen bin.
Aber zweitens glaube ich dass wir die kommunikative Wirklichkeit, so wie sie nun einmal ist bei einer Bundeswahl, klar sehen sollten. Viele der verlorenen Stimmen werden von Leuten gewesen sein die sehr wohl homophob und sexistisch sind, und manche davon weniger unterbewusst als vielleicht ich. Das lässt sich bei jeder Menge anderen Grünen Grundsätzen fortschreiben. Was ist wenn wir alle WählerInnen ausschliessen, die Fleisch essen, große Autos fahren, Lederjacken tragen, für irgendwelche Firmen arbeiten deren Produkte oder Methoden wir gemeinhin für dubios halten würden: wie viele Stimmen würden uns bleiben? Wollen wir die, oder sind uns diese Stimmen nicht gut genug?
Obama war ein schwarzer Kandidat. Ich habe seinen Wahlkampf intensiv verfolgt, wohl mehr als die meisten Österreicher, weil ich ein englischsprachiger Zug'reister bin. Was ich gesehen habe war, dass er (und sein Team vermutlich) sich ganz offensichtlich ins Detail gehend alles überlegt hatten, was ein schwarzer Kandidat tun und lassen sollte, um nicht zuallererst als solcher aufzufallen und anzuecken. Ist eine Welt gerecht, in der es ein schwarzer Kandidat sich das überlegen muss? Nein, natürlich nicht. Was ist besser für schwarze KandidatInnen auf lange Sicht - ob er sich das bissl anpasst, oder nicht? Ich glaube es zahlt sich zigmal aus, dass er sich anpasst - weil jetzt etabliert er ein positives Rollenbild von Schwarzen, die es allen anderen erleichtern wird.
Und genau diese Auseinandersetzung mit der Aussensicht ist es, was bei den Grünen manchmal fehlt. Es ist schade und ungerecht, dass Österreich noch nicht so weit ist, eine Bundeskanzlerin wie Lunacek zu wählen. Aber die erste lesbische Bundeskanzlerin wird, vermute ich einmal, zu Lunacek sein wie Obama zu Jesse Jackson.