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Warum U2 aufs Flugfeld?

Wie kann man die U1 nach Rothneusiedl kritisieren, gleichzeitig aber die U2 aufs Flugfeld Aspern im 22. gutheissen, wurde ich hier einigemale gefragt.

Versuch einer Antwort:
Wien wächst. In den nächsten 25-30 Jahren um ca 300 000 Menschen, d.h Wien baut innerhalb seiner Stadtgrenzen die zweitgrösste Stadt Österreichs.
Und exakt an einem Ort (und wirklich nur hier) besitzt Wien auch tatsächlich grund und bodfen in grossem Ausmass, das ist das Flugfeld Aspern. Mit 200 ha ist es grösser als der erste Bezirk.
Und weil es der Stadt gehört, können Ziele, die die Stadt vorgibt auch umgesetzt werden.
In viele anderen bereichen kann die Stadt bloss Flächenwidmungspläne erlassen, die normieren, wie hoch genaut wird. Was und wie genau gebaut wird, darauf hat die Stadt dort keinen Einfluss.
Und deswegen halte ich es für eine riesige Chance, zu Beginn des 21. Jhdts, mit all den Kenntnissen, die wir heute haben, eine neue Stadt zu gründen.
Denn in der Tat ist das Projekt Flugfeld nicht eine Weiterführung des (sehr fragwürdigen) Bestehenden in diesem Gebiet, sondern eine neue Stadt.

flugfeld1

Jüngst wurde im Gemeinderat der Masterplan beschlossen, welcher die Grundlagen der zukünftigen Entwicklung vorgibt.

flugfeld2

Da ich selbst einiges eingebracht habe, hier ein paar Gründe, warum ich diese Entwicklung für sehr positiv halte:
1.) gemischte Nutzungen statt blosses Wohnen oder monofunktionale Büronutzungen: Kurz gesagt, es sollen Häuser (die intern umnutzbar sind) statt Büros oder Wohnungen gebaut werden
2.) Das ganze Areal wir innerhalb der nächsten Jahrzehnte für 25 000 Meschen gebaut.Statt riesiger Einkaufszentren sind von Beginn an grosszügige Erdgeschosszonen vorgesehen. Um diese attraktiv zu machen, soll schon in der Finanzierung festgelegt werden, dass sie günstig mietbar sind
3.) Niedrigst-energie-Passivhauskonzepte sollen zur regel werden
4.) Freiraumqualität wird nicht nur gefordert, sondern von den Grundeigentümern (WWFF, Wohnfonds Wien und BIG) von Beginn an sichergestellt.
5.) Für Schulen, Kindergärten und sogar Uni-Institute (hoffentlich wachsen auch Wiens Universitäten) sind flächen vorgesehen und günstige gründe reserviert
6.) Von Beginn an sollen U-Bahnen, Schnellbahnen sowie Strassenbahnen und Busse für qualitätsorientierten öffentlichen Verkehr sorgen

flugfeld3

7.) Auch dem Radverkehr wird besonderes Augenmerklgeschenkt
8.) Die Qualität der Strassenräume (Breite Gehwege, Alleen)ist überlegt, und geplant

Ich könnte noch eine Reihe von Punkten anführen, die diese Planung auszeichnen.
Zugegeben: Sich etwas vornehmen ist das eine, ob und wie es umgesetzt wird ist ein Zweites.
Aber hier wird es wenigstens versucht.
Und, um das wichtigste nochmals zu wiederholen:Da dieses grosse Areal der Stadt Wien gehört, könnte sie es auch umsetzen.
Paradox formuliert: Gäbe es auf dem Flugfeld zersplitterte Eigentumsverhältnisse, würde ich keinen Grund sehen, ausgerechnet dort die Stadt zu erweitern.
So besteht zumindest die Chance, etwas wirklich besonderes umzusetzen.
leckse - 16. Jul, 17:04

Das Potential für urbane Qualitäten auf dem dortigen Grund ist sicherlich gegeben. Nur sehe ich dadurch immer noch keinen wirklichen Sinn darin, dieses Gebiet durch eine neue U-Bahn zu erschließen, vor allem wenn das Gelände jetzt schon quasi von drei Seiten von (Vollbahn-)Gleisen umgeben ist.

Eine dort hinführende S80 hätte Anschlüsse zu einer verlängerten S45 am Praterkai, zur U3 in Simmering, U1 am Zentralbahnhof, U6 Philadelphiabrücke etc. Wenn die Gleise zu sehr am Rand liegen, ist das auch kein Problem: Man hat ja frei gestaltbare Freiflächen. Noch.

Und falls einem die S-Bahn für die Feinerschließung nicht ausreichend erscheint, kann man alternativ könnte auch eine Führung von Stadtbahntriebwagen ähnlich der Wiener Lokalbahn oder der Stadtbahn Karlsruhe unter Mitbenutzung der Ostbahn realisieren.

sebastianb (Gast) - 17. Jul, 12:49

Grundsätzlich spricht ja nichts dagegen, nur:
- wie vielfach kritisiert wurde, ignoriert der Masterplan die Umgebung und schafft eine abgeschlossene Stadt in sich, wobei man nicht weiß, wer sich von wem abgrenzen würde.
- bisher waren die Projektentwickler sehr rar gesät, die sich dort niederlassen wollen, inklusive mehrere Universitäten.
- die Straßenbahnen im Gelände, die kleinteilig erschließen würden, sind alles außer ausfinanziert, im Gegenteil, durch die enormen Investitionen in die U-Bahn ist eine Realisierung derzeit eher unwahrscheinlich.
- die U2 mit ihrer derzeitigen Form als Beinahe-Parallelführung zur Ostbahn Stadlau - Hausfeldstraße - Flugfeld ist ausgesprochener Luxus.

Gérard (Gast) - 17. Jul, 12:57

Faszinierendes Konzept, aber

Für Stadtplaner und Architekten ist so eine Gelegenheit (eine Stadt am Reißbrett zu entwerfen) natürlich das Paradies. Ich bin allerdings höchst skeptisch, dass dieses Projekt auch langfristig erfolgreich sein wird. - Die Geschichte der Stadtplanung zeigt, dass eine fix&fertig konzipierte Stadt niemals ebenbürtig einer historisch, langsam gewachsenen ist. Wo hätte so etwas wirklich funktioniert?

Auch wenn an alles gedacht wird, die Infrastruktur passt, die Menschen altersmäßig und von den sozialen Schichten her gut gemischt hier angesiedelt werden - warum sollte hier klappen, was so oft gescheitert ist? Viele geplante Stadtteile wurden zu Schlafstädten mit Auspendlern, die Freizeitangebote waren inferior, sodass die Menschen erst recht wieder lange Wege zu Lokalen/Bädern/Kinos/Theatern/Kaffeehäusern.... hatten.

Wie wär's mit einer kritischen Würdigung aller großen Stadterweiterungen seit den 60ern? Und der Frage, was in den jeweiligen Fällen eben nicht geklappt hat.

Meine Alternative hab ich schon mehrmals dargelegt: die Gemeinde soll alte Zinshäuser (Gründerzeit, Substandard) aufkaufen, schleifen und blockweise moderne, Neubauten errichten. Ich denke dabei v.a. an den 20. und 2. Bez. sowie an die Gürtelzone. Mehr Wohnfläche würde man durch höhere Bauweisen schaffen (ähnlich Alt Erlaa). => Vorteile: öff. Verkehr, Infrastruktur vorhanden, geringe Distanzen zu den großstädtischen Angeboten

schneckenhaus (Gast) - 18. Jul, 13:19

noch einfacher und schneller als solarenergie per bauordnung zu erlassen (das betrifft nur die neu gebauten häuser), wäre die wärmerückfuhr mittels wärmepumpen beim warmwasser-abfluss, die schnell und kostengünstig nachgerüstet werden können.

ernst (Gast) - 16. Jul, 09:03

5 jahre nach diesem blog und 30 jahre nach dem ersten masterplan von rüdiger lainer (und dem damaligen einschlafen der planungen) sehe ich von deinen argumenten nur das der eigentumsverhältnisse (und damit entscheidungskompetenz) übrig geblieben.
angesichts zahlloser innerstädtischer, attraktiverer entwicklungsgebiete und einer reurbanisierungstendenz wird aspern als sinnbild für eine aufwendigste, teure satelitenstadt mit u-bahnanschluss noch lange bewohner- und betriebelos dahindümpeln (die bauträger und selbst bewohnergruppen lehnen dankend ab....)
aber vielleicht muss man doch in ganz langen perspektiven denken bis alle gebiete entlang bestehender ÖV-netze entwickelt sind bzw. z.B. S-Bahnen in wien/umland besser ausgebaut sind (siehe kommentar dazu), dann kann in 50 jahren die seestadt zu einem urbanen zentrum werden (wien hat bekanntlich außer im 1.bezirk kaum ein weiterers zentrum!!!). aber das ist halt der zentralismus in wien.

Margarete Lazar (Gast) - 25. Sep, 18:05

4-6 spurige Begleitstraße

Warum "vergessen" Sie ständig zu erwähnen, dass neben all den Öffis und den Fahrrädern auch eine vier-bis sechsspurige Autobahn mit mehreren Auffahrten geplant ist, die dann quer durch jetzt bereits besiedeltes Gebiet zur A 23 führen soll. Schämen Sie sich für die "Stadtstraße"? (Sag nicht Autobahn zu mir!)

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