Plebiszitäre Demokratie? Ein paar kritische Anmerkungen
von cc am 31.05.2012
Ist eine plebiszitäre Demokratie der Königsweg?
Dazu habe ich für den Standard einen Kommentar geschrieben.
Im Anschluss noch ein paar mir wichtige ergänzende Gedanken, die aus Platzgründen im Standard nicht berücksichtigt wurden.
Jetzt könnte es schnell gehen. Alle Parteien scheinen einig zu sein. Die Krise unserer Demo- kratie muss überwunden werden, und dem berechtigten Ruf nach "mehr direkter Demokratie" soll gefolgt werden: Verpflichtende Volksabstimmungen seien die Lösung. Noch vor der Wahl 2013 soll darüber entschieden werden - in einer Volksabstimmung, denn es handelt sich dabei um eine Totaländerung unserer Verfassung.
Eigentlich müsste ich jubeln. Politisch geprägt durch die Atomvolksabstimmung 1978, scheint das doch ein großer Fortschritt, eine Überwindung der so offensichtlichen Stagnation unseres politischen Systems zu sein. - Ich juble nicht. Im Gegenteil. Ich ersuche die Parlamentarier meiner Partei, innezuhalten und kühl darüber nachzudenken, ob hier der richtige Weg gegangen wird.
Bei der Diagnose des Status quo müssen wir uns nicht lange aufhalten. Hier herrscht (trauriger) Konsens. So wie unsere repräsentative Demokratie derzeit verfasst ist, kann sie die wesentlichen Aufgaben kaum lösen. Bildungsreform? Unifinanzierung? Kompetenzbereinigung zwischen Bund und Ländern? Raumordnung? Klimaschutz? Die Liste der Stagnation lässt sich beliebig fortsetzen.
Aber ist die repräsentative Demokratie, der Parlamentarismus per se die Ursache der Stagnation, und muss deswegen durch Volksabstimmungen ergänzt werden?
Hier liegt einer meiner beiden Haupteinwände gegen den vorgeschlagenen Weg. Denn: Österreich hat überhaupt keinen lebendigen Parlamentarismus. Gesetze werden fast nur von der Regierung gemacht. Was zwischen Rot und Schwarz (die Normregierung der Nachkriegszeit) keinen Konsens findet, kommt gar nicht ins Parlament.
Parlamentarische Debatten sind auch deswegen so öde, weil man im Vorhinein längst weiß, welche Standpunkte vertreten bzw. wie dann abgestimmt wird.
Warum ist das so? Weil eigenständige Abgeordnete den gewohnten Betrieb stören würden. Hier, in der absurden Ausgestaltung unseres Parlamentarismus liegt der Kern der Stagnation. Diese muss überwunden werden. Positive Beispiele seinen dafür ein Hinweis. Gelegentlich benötigt die Regierung eine Verfassungsmehrheit. Dann muss sie auch mit der Opposition verhandeln. Das tut sie dann ausnahmsweise dort, wo es eigentlich -auch nach der derzeit bestehenden Verfassung - hingehört, im Parlament (siehe Transparenzpaket oder die Verhandlungen zum Ökostromgesetz).
Die Kernforderung zur Demokratiereform ist schlicht und doch sehr weitreichend: Gesetzgebung wieder (nein, in Österreich erstmals) den gewählten Abgeordneten in die Hand zu geben. - Aber wie?
Hier muss die entscheidende Veränderung einsetzen. Solange Parteien und nicht die Wähler/Innen die Abgeordneten bestimmen, wird sich am System wenig ändern. Abgeordnete der Regierungsparteien, die wieder aufgestellt werden wollen, müssen Wohlverhalten gegenüber ihren (Landes-)Parteien nachweisen. Sie sind denen, und nicht ihren Wählern verpflichtet.
Deshalb führt kein Weg daran vorbei, Abgeordnete möglichst unmittelbar ihrer Wählerschaft zu verpflichten. Das heißt nicht Mehrheitswahlrecht. Ein flexibles Vorzugsstimmensystem, wo die wahre Basis jeder Partei, die Wählerschaft, die Kandidaten auswählt, würde unmittelbar und wirksam den Parlamentarismus wachküssen und die Stagnation überwinden.
Einwand zwei gegen das vorgeschlagene Modell der verpflichtenden Volksabstimmung: Es ist ein fundamentaler Fehler, direkte Demokratie mit plebiszitärer Demokratie gleichzusetzen.
In aller notwendigen Kürze: Der allseits beschworene "Wille des Volkes" liegt nicht irgendwo herum. Hans Kelsen, Mitgestalter unserer Verfassung hat sein Leben lang über Demokratie nachgedacht und darüber geschrieben. Es lohnt sein Werk "Wesen und Wert der Demokratie" gerade jetzt zu lesen. Darin spricht er von der "Heteronomie des Willens". Gemeint ist damit, dass in einer Demokratie immer Aushandelsprozesse zwischen verschiedenen Standpunkten letztlich zu Entscheidungen führen.
Demokratie lässt sich in den wenigsten Fällen auf schlichte Ja/Nein-Fragen reduzieren. Sehr viele sehr unterschiedliche Standpunkte müssen in einem Prozess der öffentlichen Aushandlung abgewogen werden. Es ist völlig klar, dass nur so Minderheitspositionen einbezogen werden können. Schließlich ist dieser Prozess der Kompromissfindung auch ein Lernprozess für alle Beteiligten. Eine schlichte Ja/Nein-Entscheidung kann dem nur in Ausnahmefällen Rechnung tragen
Ein (im Gegensatz zu heute) lebendiger Parlamentarismus ist eine enorme Errungenschaft der Zivilisation. Er ist eine Schranke (keine Garantie) gegen das Ressentiment. Dieses ist Gift für eine aufgeklärte Entscheidungsfindung. Alle Befürworter zwingender Volksabstimmungen mögen dies, sowie unsere Medienlandschaft bitte mitbedenken.
Ein Vorschlag: Wenn jetzt ein Wille zur Demokratiereform besteht, könnte die Stunde des Parlaments schlagen. In großen öffentlichen Debatten (Enqueten) mit Exponenten der Zivilgesellschaft möge ein großer Wurf gesucht werden. Aber nicht vorweg mit der abschließenden (falschen) Antwort beginnen!
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Jeder Artikel in einer Zeitung hat eine Begrenzung seiner Länge.
Deswegen konnte ich viele mir wichtigen Argumente im obigen Kommentar nicht unterbringen.
Im Blog gibt es keine Begrenzung.
Deswegen hier noch einige mir sehr wichtige Gedanken:
Bin ich jetzt allen Ernstes gegen direkte Demokratie.
Nein, dreimal nein. Direktdemokratische Elemente gehören ausgebaut, erprobt und erlernt.
Wogegen ich mich wehre: Das Gleichsetzen von direkter Demokratie mit plebiszitäre Demokratie.
Erstere heisst: Die Bevölkerung kann sich in den politischen Aushandlungsprozeß einbringen. Dieser ist nicht mehr ausschliesslich Politikern und Beamten vorbehalten.
V.a. die Kommunalpolitik bietet ein breites Feld.
Um Beispiele aus meinem Arbeitsbereich in Wien anzuführen:
Die Neugestaltung der Mariahilferstrasse. Hier läuft seit einem Jahr ein Diskussionsprozeß. Auf vielen Ebenen werden verschiedene Vorschläge diskutiert. Von Wirtschaftstreibenden bis zu Garagenbesitzern, von Anwohnern bis Bezirksreäten. Verschiedene Interessen werden in verschiedenen Foren diskutiert. Deswegen dauert der Prozess auch.
Eine Lösung wird ausgehandelt. Eben nicht hinter verschlossenen Türen.
Oder:
Flächenwidmungen - die so wichtige Frage, wie in meiner jeweiligen Umgebung genaht werden darf.
Immer häufiger (beileibe noch nicht überall) gibt es vor Beschluss im Gemeinderat Verfahren und Verhandlungen mi Anrainern. Sie können ihr lokales Wissen einbringen, dabei oft Skepsis artikulieren (mehr Verkehr, Verlust von Grünraum, Fehlen von Nahversorgung, zu grosse dichte, etc.) und auf Politik/Verwaltung Druck ausüben, um die zu Änderungen zu zwingen.
Die Fälle dieser direkt-demokratischen Mitgestaltung werden bereits häufig angewendet. Trotzdem gehört dieses Instrument noch deutlich ausgebaut.
Es stellt uns auch vor grosse Fragen:
Wer soll an diesem Prozess mitwirken? Ausschliesslich Anrainer, die verständlicherweise eine Position "deutlich weniger Wohnungen, wenn überhaupt" vertreten? Oder auch jene, die eine Wohnung suchen und dort einmal wohnen werden?
Wie wäre so eine Mitgestaltung auszugestalten?
Mehr direkte Demokratie sehe ich auch in einem gänzlich anderen Bereich: Jenem der Schulen.
Diese sind, im Gegensatz zu vielen anderen Ländern in ihrer inneren Entscheidungsfreiheit extrem begrenzt. Sie sind eher nachgeordnete Dienststellen, die auszuführen haben, was ihnen die Politik/Verwaltung/Stadtschulrat vorschreibt.
Es ginge auch ganz anders.
Direkte Demokratie würde hier heissen, dass Schulen selbst (die Eltern Lehrer und Schüler) ihre eigenen Regeln entwickeln. Was wann wie gelernt wird. Welche Lehrer aufgenommen werden.
Das würde Österreichs politisch demokratische Struktur dramatisch verändern.
Direkte Demokratie ist also sehr viel mehr, als bei einem Plebiszit Ja/Nein zu sagen.
Ein grosses weiteres Feld wäre die Mitwirkung an Gesetzen im Parlament.
Volksbegehren in der Vergangenheit sind ja tatsächlich in der Schublade verschwunden.
Hier kann ich jetzt nicht ins Detail gehen.
Ab er ohne Zweifel könnten Exponenten von Volksbegehren in Ausschüssen ihre Anliegen mit den Abgeordneten (öffentlich) verhandeln, möglicherweise Kompromisse entwickeln und hätten auch das Recht am Ende eine klare Entscheidung zu bekommen.
Es kann und soll aber auch gelegentlich Plebiszite geben.
Aber am Ende einer grosen Debatte, wenn vielleicht gar nichts mehr geht.
Aber hier ist dann ganz entscheidend: Wer, aus welchen Motiven formuliert die genaue Fragestellung?
Ein kleiner Spinn in der Frage, und schon dreht sich die Antwort.
Ein (vorerst) abschliessendes Argument.
Man kann zwei Länder anführen, eines in dem direkte Demokratie eindeutig gut funktioniert (die Schweiz), ein anderes, wo durch direkt/plebiszitäre Entscheide ein reiches Land nahe an den Bankrott geführt wurde (Kalifornien).
In Zweiterem haben Plebiszite gegen Steuererhöhungen ein derartig enges finanzielles Korsett geschnürt, dass die Politik kaum noch Spielräume hat.
Und die Schweiz hat 150 Jahre lang sein System erprobt und erlernen können.
Bevor wir jetzt in einer kurzfristigen Aktion unser politisches System umstellen, sollten wir doch ein wenig nachdenken, oder?
Dazu habe ich für den Standard einen Kommentar geschrieben.
Im Anschluss noch ein paar mir wichtige ergänzende Gedanken, die aus Platzgründen im Standard nicht berücksichtigt wurden.
Jetzt könnte es schnell gehen. Alle Parteien scheinen einig zu sein. Die Krise unserer Demo- kratie muss überwunden werden, und dem berechtigten Ruf nach "mehr direkter Demokratie" soll gefolgt werden: Verpflichtende Volksabstimmungen seien die Lösung. Noch vor der Wahl 2013 soll darüber entschieden werden - in einer Volksabstimmung, denn es handelt sich dabei um eine Totaländerung unserer Verfassung.
Eigentlich müsste ich jubeln. Politisch geprägt durch die Atomvolksabstimmung 1978, scheint das doch ein großer Fortschritt, eine Überwindung der so offensichtlichen Stagnation unseres politischen Systems zu sein. - Ich juble nicht. Im Gegenteil. Ich ersuche die Parlamentarier meiner Partei, innezuhalten und kühl darüber nachzudenken, ob hier der richtige Weg gegangen wird.
Bei der Diagnose des Status quo müssen wir uns nicht lange aufhalten. Hier herrscht (trauriger) Konsens. So wie unsere repräsentative Demokratie derzeit verfasst ist, kann sie die wesentlichen Aufgaben kaum lösen. Bildungsreform? Unifinanzierung? Kompetenzbereinigung zwischen Bund und Ländern? Raumordnung? Klimaschutz? Die Liste der Stagnation lässt sich beliebig fortsetzen.
Aber ist die repräsentative Demokratie, der Parlamentarismus per se die Ursache der Stagnation, und muss deswegen durch Volksabstimmungen ergänzt werden?
Hier liegt einer meiner beiden Haupteinwände gegen den vorgeschlagenen Weg. Denn: Österreich hat überhaupt keinen lebendigen Parlamentarismus. Gesetze werden fast nur von der Regierung gemacht. Was zwischen Rot und Schwarz (die Normregierung der Nachkriegszeit) keinen Konsens findet, kommt gar nicht ins Parlament.
Parlamentarische Debatten sind auch deswegen so öde, weil man im Vorhinein längst weiß, welche Standpunkte vertreten bzw. wie dann abgestimmt wird.
Warum ist das so? Weil eigenständige Abgeordnete den gewohnten Betrieb stören würden. Hier, in der absurden Ausgestaltung unseres Parlamentarismus liegt der Kern der Stagnation. Diese muss überwunden werden. Positive Beispiele seinen dafür ein Hinweis. Gelegentlich benötigt die Regierung eine Verfassungsmehrheit. Dann muss sie auch mit der Opposition verhandeln. Das tut sie dann ausnahmsweise dort, wo es eigentlich -auch nach der derzeit bestehenden Verfassung - hingehört, im Parlament (siehe Transparenzpaket oder die Verhandlungen zum Ökostromgesetz).
Die Kernforderung zur Demokratiereform ist schlicht und doch sehr weitreichend: Gesetzgebung wieder (nein, in Österreich erstmals) den gewählten Abgeordneten in die Hand zu geben. - Aber wie?
Hier muss die entscheidende Veränderung einsetzen. Solange Parteien und nicht die Wähler/Innen die Abgeordneten bestimmen, wird sich am System wenig ändern. Abgeordnete der Regierungsparteien, die wieder aufgestellt werden wollen, müssen Wohlverhalten gegenüber ihren (Landes-)Parteien nachweisen. Sie sind denen, und nicht ihren Wählern verpflichtet.
Deshalb führt kein Weg daran vorbei, Abgeordnete möglichst unmittelbar ihrer Wählerschaft zu verpflichten. Das heißt nicht Mehrheitswahlrecht. Ein flexibles Vorzugsstimmensystem, wo die wahre Basis jeder Partei, die Wählerschaft, die Kandidaten auswählt, würde unmittelbar und wirksam den Parlamentarismus wachküssen und die Stagnation überwinden.
Einwand zwei gegen das vorgeschlagene Modell der verpflichtenden Volksabstimmung: Es ist ein fundamentaler Fehler, direkte Demokratie mit plebiszitärer Demokratie gleichzusetzen.
In aller notwendigen Kürze: Der allseits beschworene "Wille des Volkes" liegt nicht irgendwo herum. Hans Kelsen, Mitgestalter unserer Verfassung hat sein Leben lang über Demokratie nachgedacht und darüber geschrieben. Es lohnt sein Werk "Wesen und Wert der Demokratie" gerade jetzt zu lesen. Darin spricht er von der "Heteronomie des Willens". Gemeint ist damit, dass in einer Demokratie immer Aushandelsprozesse zwischen verschiedenen Standpunkten letztlich zu Entscheidungen führen.
Demokratie lässt sich in den wenigsten Fällen auf schlichte Ja/Nein-Fragen reduzieren. Sehr viele sehr unterschiedliche Standpunkte müssen in einem Prozess der öffentlichen Aushandlung abgewogen werden. Es ist völlig klar, dass nur so Minderheitspositionen einbezogen werden können. Schließlich ist dieser Prozess der Kompromissfindung auch ein Lernprozess für alle Beteiligten. Eine schlichte Ja/Nein-Entscheidung kann dem nur in Ausnahmefällen Rechnung tragen
Ein (im Gegensatz zu heute) lebendiger Parlamentarismus ist eine enorme Errungenschaft der Zivilisation. Er ist eine Schranke (keine Garantie) gegen das Ressentiment. Dieses ist Gift für eine aufgeklärte Entscheidungsfindung. Alle Befürworter zwingender Volksabstimmungen mögen dies, sowie unsere Medienlandschaft bitte mitbedenken.
Ein Vorschlag: Wenn jetzt ein Wille zur Demokratiereform besteht, könnte die Stunde des Parlaments schlagen. In großen öffentlichen Debatten (Enqueten) mit Exponenten der Zivilgesellschaft möge ein großer Wurf gesucht werden. Aber nicht vorweg mit der abschließenden (falschen) Antwort beginnen!
xxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxx
Jeder Artikel in einer Zeitung hat eine Begrenzung seiner Länge.
Deswegen konnte ich viele mir wichtigen Argumente im obigen Kommentar nicht unterbringen.
Im Blog gibt es keine Begrenzung.
Deswegen hier noch einige mir sehr wichtige Gedanken:
Bin ich jetzt allen Ernstes gegen direkte Demokratie.
Nein, dreimal nein. Direktdemokratische Elemente gehören ausgebaut, erprobt und erlernt.
Wogegen ich mich wehre: Das Gleichsetzen von direkter Demokratie mit plebiszitäre Demokratie.
Erstere heisst: Die Bevölkerung kann sich in den politischen Aushandlungsprozeß einbringen. Dieser ist nicht mehr ausschliesslich Politikern und Beamten vorbehalten.
V.a. die Kommunalpolitik bietet ein breites Feld.
Um Beispiele aus meinem Arbeitsbereich in Wien anzuführen:
Die Neugestaltung der Mariahilferstrasse. Hier läuft seit einem Jahr ein Diskussionsprozeß. Auf vielen Ebenen werden verschiedene Vorschläge diskutiert. Von Wirtschaftstreibenden bis zu Garagenbesitzern, von Anwohnern bis Bezirksreäten. Verschiedene Interessen werden in verschiedenen Foren diskutiert. Deswegen dauert der Prozess auch.
Eine Lösung wird ausgehandelt. Eben nicht hinter verschlossenen Türen.
Oder:
Flächenwidmungen - die so wichtige Frage, wie in meiner jeweiligen Umgebung genaht werden darf.
Immer häufiger (beileibe noch nicht überall) gibt es vor Beschluss im Gemeinderat Verfahren und Verhandlungen mi Anrainern. Sie können ihr lokales Wissen einbringen, dabei oft Skepsis artikulieren (mehr Verkehr, Verlust von Grünraum, Fehlen von Nahversorgung, zu grosse dichte, etc.) und auf Politik/Verwaltung Druck ausüben, um die zu Änderungen zu zwingen.
Die Fälle dieser direkt-demokratischen Mitgestaltung werden bereits häufig angewendet. Trotzdem gehört dieses Instrument noch deutlich ausgebaut.
Es stellt uns auch vor grosse Fragen:
Wer soll an diesem Prozess mitwirken? Ausschliesslich Anrainer, die verständlicherweise eine Position "deutlich weniger Wohnungen, wenn überhaupt" vertreten? Oder auch jene, die eine Wohnung suchen und dort einmal wohnen werden?
Wie wäre so eine Mitgestaltung auszugestalten?
Mehr direkte Demokratie sehe ich auch in einem gänzlich anderen Bereich: Jenem der Schulen.
Diese sind, im Gegensatz zu vielen anderen Ländern in ihrer inneren Entscheidungsfreiheit extrem begrenzt. Sie sind eher nachgeordnete Dienststellen, die auszuführen haben, was ihnen die Politik/Verwaltung/Stadtschulrat vorschreibt.
Es ginge auch ganz anders.
Direkte Demokratie würde hier heissen, dass Schulen selbst (die Eltern Lehrer und Schüler) ihre eigenen Regeln entwickeln. Was wann wie gelernt wird. Welche Lehrer aufgenommen werden.
Das würde Österreichs politisch demokratische Struktur dramatisch verändern.
Direkte Demokratie ist also sehr viel mehr, als bei einem Plebiszit Ja/Nein zu sagen.
Ein grosses weiteres Feld wäre die Mitwirkung an Gesetzen im Parlament.
Volksbegehren in der Vergangenheit sind ja tatsächlich in der Schublade verschwunden.
Hier kann ich jetzt nicht ins Detail gehen.
Ab er ohne Zweifel könnten Exponenten von Volksbegehren in Ausschüssen ihre Anliegen mit den Abgeordneten (öffentlich) verhandeln, möglicherweise Kompromisse entwickeln und hätten auch das Recht am Ende eine klare Entscheidung zu bekommen.
Es kann und soll aber auch gelegentlich Plebiszite geben.
Aber am Ende einer grosen Debatte, wenn vielleicht gar nichts mehr geht.
Aber hier ist dann ganz entscheidend: Wer, aus welchen Motiven formuliert die genaue Fragestellung?
Ein kleiner Spinn in der Frage, und schon dreht sich die Antwort.
Ein (vorerst) abschliessendes Argument.
Man kann zwei Länder anführen, eines in dem direkte Demokratie eindeutig gut funktioniert (die Schweiz), ein anderes, wo durch direkt/plebiszitäre Entscheide ein reiches Land nahe an den Bankrott geführt wurde (Kalifornien).
In Zweiterem haben Plebiszite gegen Steuererhöhungen ein derartig enges finanzielles Korsett geschnürt, dass die Politik kaum noch Spielräume hat.
Und die Schweiz hat 150 Jahre lang sein System erprobt und erlernen können.
Bevor wir jetzt in einer kurzfristigen Aktion unser politisches System umstellen, sollten wir doch ein wenig nachdenken, oder?
Mitreden heisst Verantwortung