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Beim Auto setzt das Hirn aus (2)

Wer die Maut-Debatte der letzen Tage verfolgt, bzw. die heutigen (Samstags-) Zeitungen durchblättert, muss an der politischen Kultur des Landes verzweifeln.
Denn es geht nicht um irgendwelche Argumente sondern nur um Hysterie.
(Fast) jeder Parteivorsitzende distanziert sich von Mautüberlegungen derart heftig, als wäre solches schlimmer als Vogelgrippe und BSE zusammen;
gleichzeitig werden "die anderen" beschuldigt, Pläne dazu längst in der Lade zu haben.
Besonders absurd der Vorwurf des Bundeskanzlers an das Verkehrsministerium: Dieses hätte, "was für ein Skandal!", gar eine Studie anfertigen lassen. Als ob Nachdenken als solches schon verwerflich wäre.
In vielen Ländern ist eine PKW Maut längst eine Selbstverständlichkeit:
In Italien, Frankreich, Spanien, Kroatien und in vielen anderen Ländern.
Statt "Skandal", Beschuldigungen und Hysteriegehabe, wäre es - auch in Wahlkampfzeiten - durchaus nützlich, ein paar Gedanken abzuwägen.
Versuchen wir`s:
1.) Ist es sinnvoll, eine "allgemeine" Autobahnmaut einzuheben?
Offensichtliche Konsequenz, wir sehen ihn bei der LKW-Maut, der Verdrängungseffekt.
Überlegenswert wären Modelle und Technologien, welche eine derartige "Bepreisung" auch auf bestimmten Routen, die nicht Autobahnen sind, vorzunehmen.
2.) Ein fixer Satz oder ein flexibel?
Hier muss ganz nüchtern die Frage gestellt werden, was im Vordergrund steht: Einnahmen (was kein "Skandal" ist, auch für Brot zahlen wir Mehrwertsteuer) oder Verkehrslenkung, oder beides.
Warum nicht ein flexibles System nach dem Prinzip: Wo (räumlich oder zeitlich) mit Stau zu rechen ist (z.B. an den wenigen bekannten "Stauwochenenden) vor dem Tauerntunnel, oder an Einkaufssamstagen an den Stadtgrenzen deutlich hohe Mautsätze.Konsequenz: Stau, den keiner wollen kann, wir vermieden oder zumindest reduziert.
Dieses System hätte einen Riesenvorteil: Die enormen sozialen und ökologischen Kosten, die Einkaufszentrenn auf der Grünen Wiese (zu Lasten der innerstädtischen Nahversorgung)erzeugen, werden dann von den Autofahrern mitfinanziert.
3.) Wer soll das Geld bekommen?
Das ist eine ganz wichtige Frage. Einmal mehr zeigt uns die Schweiz, was klug ist. Deren LKW-Maut finanziert zum grössten Teil den Ausbau der Bahn. Im Unterschied zu Österreich: Hier geht 100% in den Strassenbau. Dabei hat Österreich - entgegen ÖAMTC Propaganda - längst die grösste Autobahndichte Europas (gemessen in Kilometer/Einwohner)
Es gäbe also zurecht vieles zu diskutieren. Bevor dann die klügste Massnahme umgesetzt wird.
Aber, siehe oben: Beim Auto setzt in Österreich leider das Hirn aus.
Gernot Wagner (Gast) - 27. Aug, 22:19

Maut ja, aber erst in 10 Jahren

Danke für diese ehrlichen Argumente zur Mautdebatte. Ich muss Ihnen leider zustimmen, dass beim Auto oftmals das Hirn aussetzt. Allerdings stimmt das nur aus objektiver Sicht. Also wenn man die Situation von außen betrachtet. Tatsache ist, dass der Durchschnittsösterreicher auch der Durchschnittsautofahrer ist. Jeder hat eins, jeder fährt damit. Viele fühlen sich darüber oft nicht ganz gut (wenn sie ihren objektiven Hut aufsetzen), aber fahren tut trotzdem ein jeder. Eine generelle Maut trifft also wirklich einen jeden persönlich.

Aus objektiver Sicht betrachtet wäre das nicht unbedingt schlecht. Autofahren bringt mit sich viele Belastungen, die nicht im Preis des Autos oder des Benzins berücksichtigt sind. Eine Kilometersteuer würde uns der Kostenwahrheit näher bringen, aber die Wahrheit schmerzt leider auch oft.

Dazu ein wichtiger Punkt: Eine Maut kann Verhalten nicht von heute auf morgen ändern. Was wir damit aber erzielen können und sollen, ist dass in Zukunft weniger Einkaufszentren auf der grünen Wiese entstehen. Eine Maut von heute auf morgen schmerzt jetzt, bringt aber erst in einigen Jahren wirkliche Verhaltensänderungen mit sich. Die ÖBB kann nicht über Nacht Nebenbahnen ausbauen (oder vor der Stillegung bewahren). Die braucht für die Planung Zeit. Selbiges gilt für die Planung neuer Einkaufszentren, Einfamilienhäuser, usw.

Ideal wäre also eine Maut, die zwar heute im Parlament beschlossen wird, aber nur schrittweise (oder überhaupt erst in 5 oder 10 Jahren) in Kraft tritt. So kann sowohl die ÖBB richtig reagieren als auch ein jeder Raumplaner, der auf lange Sicht hinaus denken muss.

Zu guter letzt hat es auch noch einen enormen politischen Vorteil: Vor der nächsten Wahl berührt es niemanden persönlich.

So wurde schließlich auch das Kioto-Protokoll unterzeichnet. Niemanden hat die Konferenz 1997 persönlich betroffen. Kein Politiker hat sich für die notwendigen, teils schmerzhaften Anfassungen verantworten müssen. Aber jeder Politiker konnte die Lorbeeren für seine objektiv betrachtet guten Taten einheimsen.

DMRosenauer - 6. Sep, 10:37

Wer klug ist sagt nicht alles, was klug ist.

Als ich gelesen habe, dass wir Grünen wieder einmal versuchen uns unbeliebt zu machen muss ich gestehen, habe ich mir ans Hirn (bzw. an den Schädel) gegriffen. Woher kommt es, dass wir wider besseren Wissens immer wieder in die Falle tappen und Dinge sagen, die zwar richtig und diskussionswürdig, aber politisch mehr als unklug sind? Die Mehrheit der ÖsterreicherInnen hat ein Auto und wie jeder weiß gibt es kaum ein Land, in dem das Land einen so hohen sozialen Status hat, wie bei uns. Wer also etwas gegen Autos sagt tut dies wissend, dass ein Beißreflex einsetzt. Nun mag es sein, dass es wichtig ist, sich als Partei mit Profil und Rückgrat zu etablieren und auch Dinge zu sagen, die wehtun aber gesagt werden müssen. Es stellt sich allerdings die Frage wie dinglich das in Vorwahlzeiten ist?

Die ASFINAG hat im Budget 2005 ein Minus aus 2003 von mehr als acht Milliarden Euro (Tendenz stark steigend). Es muss daher jedem klar sein, dass die Einnahmen aus der Vignette nicht ausreichen werden, dieses Minus in den nächsten Jahrzehnten auch nur einigermaßen zu reduzieren. Soweit die Vernunft. Nachdem aber Politik meist nicht mit dem Hirn sondern mit dem Bauch gemacht wird sind die Österreicher schon darauf trainiert, politische Botschaften mit dem Bauch zu verarbeiten. Wenn also jetzt eine Botschaft fürs Hirn kommt, die im Bauch verarbeitet wird, kann das nicht gut gehen.

Ich trete hier keineswegs für Opportunismus ein, ich denk mir nur, man sollte ein bisschen mehr auf sich schauen und an die Zukunft denken. Was nützt es uns, wenn wir die besten Ideen haben, aber von niemandem gewählt werden, weil wir heilige Kühe schlachten. Vielleicht sollten wir es langsam angehen und die Österreicher einmal metaphorisch zur gesunden Ernährung führen, bevor wir ans Einsparen der Kühe denken.

Herzlichst

DMR

alfredo (Gast) - 6. Sep, 18:24

wer klug ist, sagt nicht alles was klug ist.

wer klug ist, sagt nicht alles was klug ist.
wenn das wirklich so klug wär, hättest du geschwiegen, was in diesem fall klüger gewesen wär...
Barbara Pierecker (Gast) - 9. Sep, 20:13

Bei der Maut setzt auch das Hirn aus

Alle Parteien fallen anscheinend wegen seiner Mautideen über Häupl her, vgl.

http://derstandard.at/?url=/?id=2169863

Wenn die Belastung vom Treibstoff zur Maut verschoben wird, ändert sich für Personen, die hier wohnen, die Belastung doch überhaupt nicht.

Es trifft doch nur Personen, die im Ausland tanken! (z.B. den Transitverkehr ...)

Die anderen Parteien sind verlogen, die Idee ist doch gut. Meine Zustimmung hat Häupl. - Wie stehen Sie dazu?

cc - 10. Sep, 11:17

@Barbara P.

ihre Frage hab ich, weil Sie mir besonders wichtig erscheint, etwas ausführlicher hier beantwortet
Ulrich Leth (Gast) - 7. Okt, 21:30

Symptombekämpfung

Meine Gedanken zu einer PKW-Maut oder kilometerbezogenen Maut: Ich denke, dass eine solche Maut, die sich auf Autobahnen und höherrangige Straßen beschränkt, einen starken Einfluss auf den Transitverkehr hätte. Für den MIV und vor allem den Pendlerverkehr in Ballungsräumen wäre allerdings eine zeitabhängige Parkplatzabgabe zweckmäßiger. (Beispiel Bozen: 1700-0700 Uhr: 70c/h; 0700-1700 Uhr: 1,6€/h). Eine derartige Maßnahme würde nämlich die Ursache des Problems behandeln, das Parkplatzangebot, und nicht das Symptom, den Verkehr.
Ihre Meinung bezüglich einer flexiblen Bemautung (an Tagen von erwarteten Staus) kann ich nicht teilen. Erstens würde es einen ähnlichen zeitlichen Ausweicheffekt verursachen wie die jetzige Maut auf Autobahnen räumlich, zweitens ist der Stau das wichtigste Mittel der Verkehrsplanung zur Regelung des Verkehrsaufkommens. Ein stundenlanger Stau ist doch psychologisch viel wirksamer als ein paar Euro Autobahnmaut.

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